New York. Der 19-malige Major-Sieger siegt in den ersten zwei Runden erst nach fünf Sätzen

Vor ein paar Wochen, in seinem grünen Tennisparadies in Wim­bledon, war alles in fein säuberlicher Ordnung. Da trat Roger Federer jeden zweiten Tag zu seinen Matches an, gewann jedes mit souveräner Leichtigkeit in drei Sätzen – und selbst im Finale gegen den Kroaten Marin Cilic kam niemals Spannung und Thrill auf. Federers geglückte Rekordjagd zum achten Titel war ein sporthistorischer Moment, aber es herrschte auch gepflegte Langeweile im Theater der Tennisträume.

Über Spannungsarmut können sich seine Fans nun nicht mehr beklagen, beim Abschluss der Grand-Slam-Saison in New York – so verrückt, geheimnisvoll und mysteriös wie bei diesen US Open des Jahres 2017 ging es selten zu mit Maestro Federer. Wo in Wimbledon noch alles berechenbar lief beim 36-jährigen Großmeister, sorgen Federers Gastspiele im Arthur-Ashe-Stadion schon in den Startrunden für massive Aufregung und Tennis-Thrill.

Nachdem sich der 19-malige Major-Gewinner in der Startrunde mit letzter Kraft durchs Ziel gehangelt hatte, gegen den zupackend auftretenden Amerikaner Francis Tiafoe (19), lieferte Federer selbst gegen seinen Lieblingsgegner, den Russen Michail Juschni (35), eine erstaunliche Zitternummer: 1:2 lag der Schweizer zurück, ehe er nach 3:07 Stunden mit 6:1, 4:6, 6:7, 6:4 und 6:3 siegte. 16-mal hatte Federer in den letzten 17 Jahren zuvor gegen Juschni gespielt, die Bilanz lautete 16:0-Siege und 31:4-Sätze – und nun dieser nervöse, oft fahrige Auftritt, bei dem Federer trotz 68 einfachen Fehlern noch als Erster durchs Ziel ging. Auch begünstigt durch körperliche Probleme bei Juschni, der ab Mitte des vierten Satzes von schweren Krämpfen geplagt wurde.

Wie es um Federers Fitness steht, weiß keiner in der großen Grand-Slam-Karawane so genau. Seit dem Masters-Turnier in Toronto leidet der Mittdreißiger wieder unter Rückenschmerzen, damals wirkte er im Finale gegen den Hamburger Alexander Zverev massiv beeinträchtigt. Anschließend sagte er für den Wettbewerb in Cincinnati ab, wollte noch einmal Kraft tanken und sich regenerieren. Er fühle sich „physisch extrem gut“, sagte Federer dann nach der harten Erstrundenplackerei in New York gegen Tiafoe, nur passten die Bilder dieser Partie nicht zu den Worten des Tennis-Genius. Von seiner gewohnten Geschmeidigkeit und Eleganz war da nichts zu sehen, er schien seinem Körper nie so recht und vollständig zu trauen.

Federer trainierte auf einem Court im Central Park

Bevor er sich in das Zweitrundenabenteuer gegen Juschni stürzte, verblüffte Federer auch im Trainingsbetrieb. Um Zeit zu sparen, verzichtete er auf den stressigen Shuttle aus den Wolkenkratzer-Schluchten Manhattans nach Flushing Meadow, dort, wo es bei den Übungseinheiten stets brechend voll ist. Auf den Plätzen und Tribünen. So tauchte Federer auf einem der öffentlichen Plätze im Central Park auf, ein Novum in seiner Karriere, aber kein Novum in der Turniergeschichte: Auch Björn Borg und Jimmy Connors hatten schon in der grünen Lunge New Yorks an ihren Schlägen gefeilt.

Zehn Sätze und fast sechs Stunden lang hat Federer nun schon bei diesen US Open gespielt, niemals musste er in seiner Ausnahmekarriere in den beiden Auftaktrunden über die volle Distanz gehen. „Auf jeden Fall bin ich jetzt gut aufgewärmt“, sagte er und wehrte alle Spekulationen über seinen Gesundheitszustand ab: „Es war mehr das Timing heute, das mir fehlte. Ich habe den Ball nicht gut gespürt.“

Als dritter Deutscher erreichte Philipp Kohlschreiber bei seiner 15. US-Open-Teilnahme die dritte Runde. Der Weltranglisten-37. führte 6:2, 6:1, 3:0, als Sant­iago Giraldo (Kolumbien) wegen einer Handverletzung aufgab. Am Sonnabend trifft der 33-Jährige auf den Australier John Millman, im Achtelfinale könnte Federer der Gegner sein.