Nach seinem bisher grandiosen Jahr wirkt Roger Federer angreifbar. Der Titel führt trotzdem nur über ihn – und Nadal.

New York. Es gibt tatsächlich im Tennis immer noch Dinge, die Roger Federer zum ersten Mal durchmacht. Zum Beispiel sich die ersten beiden Runden bei einem Grand-Slam-Turnier jeweils über fünf Sätze zu quälen. So gerade geschehen in seinen Partien eins und zwei bei den US Open in New York.

Der 36-Jährige konnte nach seinem holprigen Einstieg in das letzte Grand-Slam-Turnier der Saison auch beim mühsamen 6:1, 6:7 (3:7), 4:6, 6:4, 6:2 gegen den am Ende angeschlagenen Michail Juschni Zweifel an seiner Form und Fitness nicht komplett ausräumen. Und ließ gleich eine Menge Kraft. Federer scherzte: „Ich fühle mich jetzt aufgewärmt.“

Sichtlich erleichtert: Federer hatte die Sympathien der Zuschauer klar auf seiner Seite
Sichtlich erleichtert: Federer hatte die Sympathien der Zuschauer klar auf seiner Seite © USA Today Sports | Robert Deutsch

Auf dem Weg zum angestrebten Halbfinal-Showdown mit dem ebenfalls bislang nicht überzeugenden Rafael Nadal zeigte der 19-malige Grand-Slam-Sieger ungewohnte Schwächen. Auffallende 68 unerzwungene Fehler streute der Schweizer gegen den russischen US-Open-Halbfinalisten von 2006 und 2010 ein.

„Ich habe im fünften Satz meinen Weg gefunden, um zu gewinnen. Ich gerate nicht in Panik“, sagte Federer. Gegen den Spanier Feliciano Lopez am Samstag und vor dem möglicherweise folgenden Achtelfinal-Duell mit Philipp Kohlschreiber könnte er sich müder als sonst fühlen, räumte er ein.

Kohlschreiber (33) profitierte in seinem Zweitrunden-Match von einer Verletzung seines Gegners Santiago Giraldo. Der deutsche Weltranglisten-37. führte mit 6:2, 6:1, 3:0, ehe der Kolumbianer wegen einer Handverletzung aufgeben musste. Gespielt waren bis dahin 1:27 Stunden. „Bis jetzt läuft es für mich hervorragend. Ich spiele sehr solide und habe noch nicht so viel Energie verschwendet“, sagte der Davis-Cup-Spieler. Am Sonnabend trifft Kohlschreiber auf den Australier John Millman, der die ersten vier Monate der Saison wegen eines Sehnenrisses im Hüftbeuger verpasst hatte.

Titel führt nur über Nadal und Federer

Ebenfalls noch dabei ist auch Federers Dauerrivale Rafael Nadal. Die Nummer eins hatte gegen den japanischen Weltranglisten-121. Taro Daniel beim 4:6, 6:3, 6:2, 6:2 ebenfalls anfangs Probleme. „Es ist wahr, dass ich heute nicht gut gespielt habe“, räumte der Spanier ein. Gestrauchelt sind neben dem den an vier gesetzten Alexander Zverev inzwischen unter anderen auch Cincinnati-Sieger Grigor Dimitrow, der frühere Wimbledon-Finalist Tomas Berdych und der an acht gesetzte Jo-Wilfried Tsonga. Andy Murray, Novak Djokovic und Stan Wawrinka waren wie andere wegen Verletzung beim abschließenden Grand-Slam-Turnier des Jahres gar nicht erst angetreten.

Kohlschreiber hält die deutsche Fahne hoch in New York
Kohlschreiber hält die deutsche Fahne hoch in New York © dpa | Kathy Willens

Auch Federer quälte sich in der Vorbereitung auf die US Open mit Rückenbeschwerden, pausierte einige Tage und stellte sich darauf ein, dass die ersten Runden in New York mühsam werden. „In diesem Match ging es nicht um den Rücken“, sagte Federer. Dem Rücken gehe es gut. „Weil ich so viel gespielt habe, habe ich nun definitiv einigen Rhythmus gefunden. Ich muss nur die Hochs und Tiefs ausbügeln“, erklärte er.

Seinen 20. Grand-Slam-Titel peilt Federer in Flushing Meadows an, für den passenden Spirit bricht der Baseler auch aus seinen Routinen aus. An seinem spielfreien Tag trainierte der Topstar einfach mal auf einem gewöhnlichen Tennis-Platz im Central Park, um sich den teils massiven Verkehr auf dem Weg vom Hotel zum Billie Jean King Tennis Center zu ersparen. „Die Leute waren einfach froh, mich zu sehen, mit mir zu reden, ein Foto zu machen“, sagte Federer zu den zahlreichen Schaulustigen. „Es war perfekt. Ich habe es wirklich genossen. Wenn nur alle Trainingseinheiten so wie diese wären.“