Hamburg. Der HSV-Trainer hat mit Walace und Ekdal seine neue Mitte gefunden und sein Teampuzzle fast fertig. Lasogga vor Leihe nach Leeds

Treffen sich zwei Kumpel vom HSV und Werder Bremen am Flughafen ... Das ist nicht der Beginn eines guten Witzes, sondern eine Szene vom Airport Wien-Schwechat am Montagmittag. Bei den beiden Freunden, die gemeinsam auf den Abflug in die bulgarische Hauptstadt Sofia warteten, handelte es sich um Bremens Ludwig Augustinsson und Albin Ekdal vom HSV, die beide um 15.20 Uhr zum WM-Qualifikationsspiel der schwedischen Nationalmannschaft nach Bulgarien flogen.

Beim HSV wird man die Reise seines Profis genau verfolgen. Nach dem Spiel am Donnerstag in Sofia geht es für Ekdal drei Tage später am Sonntag in Borissow gegen Weißrussland. Eine hohe Belastung für den Schweden, der das Modewort „Belastungssteuerung“ in den vergangenen zwei Jahren auf die Spitze getrieben hat. Immer wieder musste Ekdal in seinen ersten beiden Spielzeiten beim HSV pausieren. In Zahlen ausgedrückt: Zwölf Verletzungen, 252 Fehltage, 31 von 74 Spielen verpasst. Und auch in der jüngsten Sommervorbereitung sah es zunächst so aus, als ob diese Statistik fortgeführt wird, nachdem Ekdal wegen einer Rückenprellung fast zwei Wochen pausierte.

Umso überraschender war die Tatsache, dass der 28-Jährige in den ersten beiden Bundesligaspielen gegen Augsburg und Köln nicht nur über die volle Distanz spielte, sondern dabei zweimal so überzeugend auftrat wie selten zuvor, seit er im Sommer 2015 für 4,5 Millionen Euro von Cagliari Calcio aus Italien kam. Insbesondere seine Vorarbeit in der Nachspielzeit gegen Köln, als er einen Sprint über 60 Meter hinlegte und maßgenau auf Torschütze Lewis Holtby ablegte, ließ viele Beobachter verwundernd die Augen reiben. „Mich hat das nicht überrascht. Ich weiß, dass ich schnell bin“, sagte Ekdal selbstbewusst. Doch selbst seine Mitspieler staunten. „Ich habe gedacht, wir haben einen neuen Robben gekauft“, sagte Kapitän Gotoku Sakai in Anspielung auf Bayern Münchens Supersprinter Arjen Robben.

Dass der HSV einen ebenso überraschenden Sechs-Punkte-Start hinlegte, hat neben Ekdal auch mit seinem neuen Kumpel im Hamburger Mittelfeld zu tun. Walace Souza Silva, kurz Walace, ist seit zwei Spielen Ekdals Partner im defensiven Mittelfeld. Der 22-jährige Brasilianer machte seine Sache nicht weniger gut als der Schwede. Trainer Markus Gisdol scheint seine neue Mitte gefunden zu haben.

Dass der HSV in der Vorsaison beinahe abgestiegen wäre, hatte viel zu tun mit der fehlenden Mitte. Acht verschiedene Spieler durften sich auf der Doppelsechs empfehlen – in 16 verschiedenen Konstellationen. Neben Ekdal und Walace probierten sich Aaron Hunt, Lewis Holtby, Gideon Jung, Gotoku Sakai, Matthias Ostrzolek und Vasilije Janjicic. Immer wieder war Trainer Markus Gisdol gezwungen, seine Formation umzubauen. Auch, weil Ekdals Körper streikte und Walace die Anpassung an die Bundesliga Probleme bereitete.

Es hat bis zum Spätsommer gedauert, ehe der Zehn-Millionen-Neuzugang aus dem Winter in Hamburg angekommen ist. „Ich bin konzentrierter und fokussierter“, sagt Walace. „Ich habe etwas Zeit gebraucht, mich umzustellen und an die Bundesliga zu gewöhnen. Jetzt fühle ich mich immer wohler. Im Kopf bin ich ruhiger und klarer.“ Und auch das Zusammenspiel mit Ekdal klappt immer besser. Dreimal haben die beiden bislang zusammengespielt. Immer hat der HSV gewonnen. Bei ihrer Premiere im März gegen Hertha BSC (1:0) schoss Ekdal sein bislang einziges Bundesligator. „Die Kommunikation mit Walace war aber schwierig. Das hat sich jetzt geändert. Wir sind stark in der Mitte, gewinnen viele Zweikämpfe“, sagt Ekdal über seinen Nebenmann.

Für Trainer Gisdol könnte mit der Besetzung auf der Doppelsechs eine entscheidende Baustelle behoben sein. Seine Stammformation nimmt immer deutlichere Züge an. In den letzten Tagen der Transferperiode geht es beim HSV nun vor allem um die Verpflichtung von Augsburgs Linksverteidiger Konstantinos Stafylidis sowie um die Abgänge von Pierre-Michel Lasogga und Douglas Santos. Stürmer Lasogga reiste am Montag für zwei Tage nach Leeds, um sich die Bedingungen beim englischen Zweitligisten anzuschauen. Der Club will Lasogga für ein Jahr ausleihen. „Eine Einigung ist noch ergebnisoffen“, sagte Sportchef Jens Todt am Montag.

Auch im Fall Santos steht eine Einigung mit PSV Eindhoven aus. Ein Wechsel des Brasilianers gilt als wahrscheinlich. Der 23-Jährige will sich bei einem anderen Club die kleine Chance erhalten, im kommenden Jahr mit der Seleção zur WM nach Russland zu fliegen. Walace, der ebenfalls von der Weltmeisterschaft träumt, würde beim HSV zwar seinen besten Kumpel verlieren. Mit Ekdal könnte er aber einen neuen Freund gefunden haben – zumindest auf dem Feld. Und wenn die beiden so weitermachen wie in den ersten zwei Spielen, stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass sie sich im kommenden Sommer in Russland am Flughafen treffen.