Anhausen/Boca Raton. Der Profigolfer hört einfach nicht auf zu siegen. Seinen Konkurrentenist er längst unheimlich. Am Sonntag wird er 60 Jahre alt

Für die einen ist er eine Inspiration, der sie nacheifern. Für die anderen ist er ein biologisches Wunder, das sie bestaunen. Vor zehn Jahren feierte Bernhard Langer seinen 50. Geburtstag. Mit diesem Altersschritt war er fortan in den USA auf der PGA Tour Champions startberechtigt – jener Turnierserie, in der sich Profigolfer 50plus messen.

Morgen wird Langer 60 Jahre alt, und nicht einmal seine Kritiker werden bestreiten können, dass die zweite Karriere des Anhauseners als Senior die Golfwelt verändert hat. Mehr noch: Bernhard Langer hat sie revolutioniert, und zwar genau dort, wo die Leistungsdichte der Golfer am größten ist. Dort, wo sich Profis eigentlich glücklich schätzen dürfen, überhaupt einmal ein Turnier zu gewinnen: in den golfverrückten Vereinigten Staaten.

In der zurückliegenden Dekade hat der Deutsche 33-mal bei den Senioren gewonnen, allein in diesem Jahr viermal. Dabei ist die Saison noch nicht beendet, er kann noch weitere Titel sammeln. Drei der Turniere waren sogenannte Majors, auf deren Gewinn es die Spieler wegen ihrer herausragenden Bedeutung und des hohen Preisgeldes besonders abgesehen haben. Mit insgesamt zehn Major-Siegen hat Langer sogar den einst als „Golfer des Jahrhunderts“ gepriesenen Amerikaner Jack Nicklaus überholt, der acht dieser Major-Turniere bei den über 50-Jährigen gewann.

Für diese Leistungen wird er gefeiert, aber seine außergewöhnlich konstant starken Turnierergebnisse sorgen unter seinen Kollegen inzwischen für Kopfschütteln. Als der 59-Jährige kürzlich einmal Rang 13 belegte, stellte ein TV-Kommentator die ironische Frage, ob Langer in der Krise sei. Gewinnt Langer nämlich nicht, landet er fast immer unter den Top Ten. Im Golfsport ist das eine fast schon unheimliche Bilanz.

Die natürlichen Alterungsprozesse scheinen für den Deutschen offenbar nicht zu gelten, hat der Spanier José María Olazábal kürzlich gesagt. Und als Langer vor knapp zwei Monaten den greifbar nahen vierten Major-Titel am vorletzten Loch vergab, war das nicht mehr als ein unbedeutender Störfall. Corey Pavin, ein klein gewachsener, aber ungemein drahtiger und aggressiver Golfer aus den USA, der als Zweiter Langers stärkster Gegner bei der British Seniors Open Ende Juli war, war fassungslos über die Konstanz seines Widersachers. „In der letzten Runde hat er nicht einen einzigen schlechten Schlag gemacht“, sagte Pavin anerkennend, und wenn ihm tatsächlich einmal ein Fehler unterläuft wie an jenem 17. Loch beim Turnier zuvor, sei das die absolute Ausnahme, so Pavin. Da hatte Langer seinen Ball ins Wasser geschlagen.

Mitunter macht sich mittlerweile Resignation breit unter Langers Kollegen. Sie spüren, dass sie nicht standhalten können und dem Deutschen, der heute mit rund 75 Kilogramm etwa das gleiche Gewicht auf die Waage bringt wie als 20-Jähriger, hoffnungslos unterlegen sind. Auf der regulären US-Tour in rund 25 Jahren siegte Langer zwar zweimal beim US Masters in Augusta, aber konnte jenseits des Atlantiks sonst nur noch einmal (auf Hilton Head Island) ein Turnier gewinnen. Jetzt tritt er gegen die gleichen Gegner an wie etwa John Daly, Mark O’Meara oder Mark Calcavecchia (alle USA), alle Protagonisten sind älter geworden, aber die Verhältnisse sind auf einmal andere. Plötzlich gibt es einen Seriensieger.

Argwohn, weil Langer weiter mit langem Putter spielt

Auf der Suche nach den Ursachen für seine Dominanz wird Bernhard Langer nun sogar unterschwellig Unsportlichkeit, genauer gesagt ihm wird ein Regelverstoß vorgeworfen. Er würde seinen langen Putter womöglich doch am Brustbein fixieren, was verboten ist, lautet der Vorwurf. Auf dem Golf Channel in den USA wurde Langers Puttstil von dem Ex-Profi Brandel Chamblee thematisiert. Tatsächlich sind es wenige Zentimeter, die Langers linke Hand von seinem Brustkorb trennen. Aber allein der Verdacht verdirbt Langer die Laune, der sich in seiner langen Karriere seit den 70er-Jahren nie einen Regelverstoß zuschulden kommen ließ. „So ein Vorwurf tut weh“, sagt er. „Neid könnte es schon bei einigen Kollegen geben.“

Seine Erfolge allein auf das Putten zu reduzieren dürfte außerdem eine absurde Erklärung sein. Langers Karriere stellt sich mehr und mehr als ein Gesamtkunstwerk heraus, das in seiner Kindheit als Caddie seinen Anfang nahm und seine Vollendung in einer Zeit findet, in der er sich wie nie zuvor auf das konzentrieren kann, womit er sich er am liebsten beschäftigt, dem Golfspielen.

Nur noch eins seiner vier Kinder lebt bei ihm und seiner amerikanischen Frau Vikkie zu Hause in Boca Raton/Florida. Er kann sich den Tag nach seinen Wünschen einteilen, und der beginnt bei ihm zu Hause meist mit einem Besuch im Fitnesscenter, dem später das Training auf der Driving Range folgt.

Sein Bruder und Manager Erwin sieht neben dem unstillbaren Verlangen zu siegen eine weitere Ursache für die Erfolge darin, dass „Bernhard sich heute seine Zeit anders einteilt“. So verzichtete dieser, obwohl er startberechtigt war, auf die Teilnahme am letzten Major-Turnier der US-PGA-Tour in diesem Jahr, der PGA Championship Anfang August. In der Vergangenheit war er fast gleichermaßen auf der US- wie der European Tour unterwegs. Möglicherweise zu viel für seinen Körper, vor allem für seinen Rücken. Zum US Masters reist Langer deshalb schon seit Jahren mit einem Arzt an, der mit ihm in Augusta unter einem Dach wohnt.

Einige trauen ihm noch einen Sieg beim PGA-Major zu

Immer häufiger wird ihm nun die Frage gestellt, wie weit er es denn noch treiben könne. Ob er in einem Alter, in dem sich andere zur Ruhe setzen und der Gartenarbeit widmen, sogar noch einmal bei einem Major der PGA-Tour siegen könne? Langer beantwortet die Frage diplomatisch. Er sei sich sicher, dass dies eines Tages einem Spieler im Alter über 50 gelingen werde. Realistisch betrachtet kommt zurzeit aber nur er selbst für diese Titanenaufgabe infrage. Sich mit jüngeren Spielern wie dem Weltranglistenersten Dustin Johnson (33) zu messen oder dessen US-Landsmann und Megatalent Jordan Spieth (24) scheint keine Erfolgsaussichten zu haben. Beide können den Ball vom Tee, wenn es darauf ankommt, fast 100 Meter weiter schlagen als der deutsche Altmeister. Sie spielen mithin in einer anderen Welt. Sie sehen die Golfplätze mit anderen Augen, weil sie sich die einzelnen Spielbahnen anders einteilen.

Aber kann der Wahl-Amerikaner tatsächlich als 60-Jähriger die Sensation schaffen und gegen die Nachfolger von Tiger Woods gewinnen? Langer sagt, dass in diesem Fall „einfach alles passen muss bei mir und ich vier Tage nacheinander auf höchstem Level spielen muss“. Aber diese Antwort wird auch jeder andere Profi geben, wenn er nach seinen Siegchancen bei einem der vier wichtigsten Turniere gefragt wird. Beim US Masters 2014 war Langer schon einmal dicht dran an der Sensation. Damals war er 56 Jahre alt. Vor der letzten Runde lag er nur zwei Schläge hinter dem späteren Sieger Danny Willet (29) aus England zurück. Dass es nicht gereicht hat, könnte auch daran gelegen haben, dass Langer sich nach wie vor selbst unter erheblichen Druck setzt. Er weiß zudem, dass er nicht mehr viele Gelegenheiten haben wird, sich gegen Topathleten durchsetzen zu können, die seine Kinder sein könnten.

Wie Langer wirklich tickt, wurde deutlich, als er kürzlich zu Besuch in seinem Haus in Anhausen war. Mit Freunden aus Kindheitstagen und seinem Bruder traf er sich zum Schafskopfen. Einer, der diesem Kreis angehörte, sagte, dass niemand Bernhard Langer auf jenen Schlag ins Wasser an Loch 17 angesprochen habe, der ihn den vierten Major-Titel auf PGA Tour Champions 2017 gekostet habe. „Der hatte immer noch einen enorm dicken Hals.“

Die Sehnsucht nach Erfolg scheint bei Langer unstillbar. Zwei Wochen nach jenem Schlag ins Wasser gewann er die British Seniors Open. Es war für Langer, aber auch für viele seiner Kollegen wie eine Rückkehr zur Normalität.