FrankfurT am Main. Der ehemalige Tennis-Weltstar soll das Herrentennis verantworten – neuer Posten auch für Barbara Rittner

Es ist eine kleine Ewigkeit her, dass Dirk Hordorff öffentlich eine provozierende Frage stellte. Sie lautete: „Was macht eigentlich ein Teamchef?“ Das war im turbulenten Herbst 1999, auf dem Höhepunkt eines Machtkampfes, den der 61 Jahre alte Bad Homburger Tennisfunktionär mit Boris Becker führte. Der dreimalige Wimbledon-Champion war Teamchef der deutschen Daviscup-Mannschaft – und Hordorff sein größter Gegner. Irgendwann in den Scharmützeln waren sie alle Verlierer. Hordorff gab sein Amt als Sportwart des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) auf, auch Becker legte Ende 1999 seinen Job entnervt nieder.

Wie sich die Zeiten ändern können. Wenn der DTB am Mittwoch zu einer Pressekonferenz in den Plenarsaal des Frankfurter Römer bittet, werden Becker und Hordorff einträchtig auf dem Podium sitzen. Die Eiszeit zwischen den früheren Streithähnen ist längst vorüber, man respektiert und schätzt sich. Beide sind auch zentrale Figuren – bei der spektakulären Personalrochade.

Knapp 18 Jahre nach seiner Demission wird Becker nun wieder eine zentrale Rolle im nationalen Männertennis einnehmen, darum geht es bei dem Medientermin mit „spannenden Neuigkeiten“ (so die Ankündigung des Verbandes). Becker und der DTB hatten über eine Zusammenarbeit bereits mehrfach gesprochen. Der 49-Jährige hatte auch schon betont, dass er sich vorstellen könne, wieder für den Verband tätig zu werden. Nun soll Becker im DTB die Verantwortung für das gesamte deutsche Herrentennis übernehmen. Als sogenannter „Head of Tennis“ solle der dreimalige Wimbledonsieger auch Daviscup-Teamchef Michael Kohlmann vorgesetzt sein, wie auch die „Bild“ am Montag berichtete. Man kann also davon ausgehen, dass Becker bei der Relegationspartie Mitte September in Portugal, bei der es um den Verbleib in der Weltgruppe geht, das erste Mal zum Team stößt.

Beckers DTB-Einstieg ist nicht die einzige Personalie, die mit einem Knalleffekt daherkommt kurz vor den US Open ab Montag in New York. Nach gut zwölf Jahren als Chefin des deutschen Fedcupteams wird Barbara Rittner (44) künftig die gleiche übergeordnete Funktion wie Becker für die deutschen Damen ausfüllen. Die Damenauswahl soll dann als Teamchef Jens Gerlach (44) betreuen, früher Trainer der russischen French-Open-Siegerin Anastassija Myskina.

Doch die sich abzeichnende Rückkehr Beckers zum DTB drängt das Wechselspiel bei den Damen etwas in den Hintergrund. Für ein paar Wochen war der einstige Nationalheld im Sommerloch verschwunden, nachdem ihn rund um das Wimbledon-Turnier das Schlagzeilentheater um seine klammen Finanzen begleitet hatte. Nun taucht Becker wieder auf – als neue, alte Galionsfigur, als jemand, der dem Herrentennis hierzulande weitere Energie und Leben einhauchen soll. Becker hatte seine Expertise zuletzt auch nach Ansicht der DTB-Spitzenleute als Trainer des früheren Weltranglistenersten Novak Djokovic und in seiner Rolle als Eurosport-Kommentator bewiesen. Becker soll für den DTB die Leuchtturm-Persönlichkeit sein, jemand, der die Marke Herrentennis attraktiver macht.

Becker könne mit seiner Präsenz auch dafür sorgen, dass ein kommender Superstar wie Alexander Zverev und ein vielversprechender Nachwuchsmann wie der 16 Jahre alte Berliner Rudi Molleker für die deutsche Nationalmannschaft auflaufen. Im Übrigen bemüht sich der DTB derzeit mit allen Kräften um eine Rückkehr des Ausnahmetalents Nicola Kuhn – der 17-Jährige hatte zwar im Dezember 2015 die spanische Staatsbürgerschaft angenommen, sei aber nicht mehr glücklich mit der Entscheidung. Die Kombination Zverev, Molleker und Kuhn weckt Zukunftsträume bei den Funktionären, es gibt die Vision einer noch einmal von Deutschland geprägten Daviscup-Ära.