Hamburg. Der Hockey-Nationalspieler über sein Pendeln zwischen Job und Sport, die Unterschiede zum Fußball und die Chancen bei der EM.

Als einer von acht Hamburgern startet Tobias Hauke (29) am Sonntag (15.30 Uhr) mit den deutschen Hockeyherren gegen Irland in die Gruppenphase der EM in Amsterdam. Weitere Vorrundengegner sind England (Mo., 17 Uhr) und Polen (Mi., 12.30 Uhr/alle live bei Sport 1 oder sport1.de). Das Ziel ist der Titel, und der Mittelfeldspieler vom Harvestehuder THC will mit seiner Erfahrung helfen, es zu erreichen.

Herr Hauke, nach Olympia in Rio 2016 haben Sie eine lange Pause vom Hockey eingelegt, um herauszufinden, wie es mit Ihrer Karriere weitergehen soll. Nun sind sie zurück. Warum können Sie vom Hockey nicht lassen?

Tobias Hauke: Ich wollte in Rio bewusst keinen Schlussstrich ziehen, weil ich abwarten wollte, wie sich mein Leben beruflich und privat entwickelt. Und in den ersten Monaten danach fühlte sich der Gedanke, mit dem Hockey international aufzuhören, gar nicht so schlecht an. Im März, als das Team zum Zentrallehrgang nach Südafrika flog, habe ich erstmals gespürt, dass es komisch ist, nicht bei den Jungs zu sein, obwohl es körperlich und auch vom Leistungsniveau her möglich gewesen wäre. Nach einem Gespräch mit dem neuen Bundestrainer Stefan Kermas kurz danach wusste ich, dass das Feuer in mir noch brennt, ich noch nicht bereit bin, Hockey hinter mir zu lassen.

Sie sind seit Kurzem verheiratet, außerdem seit Oktober als Teammanager beim Fußball-Bundesligateam des HSV eingespannt. Was sagen Ihre Frau und Ihr Arbeitgeber dazu, dass Sie nun wieder voll auf Leistungssport setzen?

Hauke: Meine Frau unterstützt mich, der HSV wünscht sich natürlich, dass ich immer präsent bin, aber er unterstützt mich wie bislang auch in meinen sportlichen Ambitionen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Sie sind ein Ganz-oder-gar-nicht-Mensch. Wie kommen Sie mit diesem Anspruch klar in dem Wissen, dass Sie den Job beim HSV vernachlässigen müssen, um bei der EM Ihre Leistung zu bringen?

Hauke: Dieser Zwiespalt ist hart, und ich habe für den Umgang damit auch kein Rezept. Ich fühle mich einfach nicht gut, wenn ich nicht so helfen kann, wie ich es gern wollte. Das war umgekehrt aber auch so, als ich im Juli mit dem HSV im Trainingslager war, während die Jungs in Südafrika die WM-Qualifikation schafften. Ich versuche, von unterwegs meine Hilfe so gut wie möglich einzubringen, und ich werde am Sonnabend, wenn der HSV gegen Augsburg in die Saison startet, in Amsterdam mitfiebern. Aber ich werde es schaffen, mich zu 100 Prozent auf Hockey zu fokussieren, ansonsten hätte ich mich nicht für die Rückkehr entscheiden dürfen.

Sie haben zweimal Olympiagold gewonnen, waren zweimal Europameister, Welthockeyspieler 2013, Vizeweltmeister, haben mit Ihren Vereinen alles gewonnen. Was treibt Sie noch an?

Hauke: Die Leidenschaft für den Sport. Für mich sind nicht nur noch Titel relevant, ich will mich mit den Besten messen und auf höchstmöglichem Niveau spielen. Und ich bin fasziniert davon, Mannschaften mitzuentwickeln. Ich habe im Nationalteam einige Zyklen miterlebt, alle waren unterschiedlich, aber immer spannend. Nach Rio haben fast alle, mit denen ich angefangen habe, aufgehört. Es wäre auch für mich ein guter Zeitpunkt gewesen. Trotzdem bin ich wahnsinnig interessiert daran, mit der nächsten Generation noch etwas aufzubauen.

Was ist im aktuellen Team anders als in dem, mit dem Sie 2008 in Peking Olympiagold holten, und wie können Sie sich heute noch einbringen?

Hauke: Mental und charakterlich sind die Spieler von heute anders als vor zehn Jahren. Sie haben sehr viel Talent und sind enorm gut ausgebildet. Meine Aufgabe sehe ich darin, meine Erfahrungen einzubringen. In erster Linie bin ich aber ein Spieler wie alle anderen, der seine Pflichten hat.

Wie hat sich das Team nach Rio spielerisch entwickelt?

Hauke: Genau kann ich das nicht sagen, dazu war ich zu selten dabei, außerdem haben wir in der Zusammensetzung noch nicht gespielt. Grundsätzlich hat der neue Trainer gerade an den Elementen des Gegenpressings, des Konterspiels und des schnellen Umschaltens gearbeitet, was notwendig war. 2012 in London haben wir die Gegner mit Ballbesitz und Spielkontrolle dominiert. Heute stehen viele Gegner sehr tief und verteidigen intensiv, und mit den neuen Elementen haben wir nun mehr Alternativen, um darauf zu reagieren.

Schnelles Umschalten, Gegenpressing, Konterspiel – alles Begriffe, die man auch im modernen Fußball oft hört. Was bringt Ihnen Ihr Job beim HSV für Ihren Sport?

HSV-Teammanager
Tobias Hauke mit
Kyriakos Papadopoulos
HSV-Teammanager Tobias Hauke mit Kyriakos Papadopoulos © Witters

Hauke: Tatsächlich konnte ich mir im Fußball taktisch ein paar interessante Dinge abschauen, die ich im Hockey implementieren konnte. Was das Thema Teambuilding angeht, gibt es den entscheidenden Unterschied, dass wir Hockeyspieler noch aus Leidenschaft unseren Sport betreiben, während es für die Fußballer ihr Beruf ist. Daraus ergeben sich Unterschiede in der Herangehensweise. Was ich aber jeden Tag aufs Neue beim HSV sehe: Dass Kommunikation im Team und im Trainerstab unerlässlich ist und immer wieder neu mit Leben erfüllt werden muss.

Dann kommunizieren Sie bitte, wie lang der HSV Ihre Hockey-Leidenschaft noch unterstützen soll.

Hauke: Wenn ich gesund bleibe, kann ich mir die WM in Indien Ende 2018 gut vorstellen. Aber bis dahin kann so viel passieren. Deshalb schaue ich jetzt erst einmal nur auf die EM.

Wie motivieren Sie sich und Ihre Mitspieler für ein EM-Turnier, das durch die Einführung der World League als WM-Qualifikation sportlich abgewertet wurde?

Hauke: Wir haben nur fünf Spieler im Kader, die schon Europameister waren. 13 haben also genug Hunger, um diesen Titel auch mal zu gewinnen. Eine EM in den Niederlanden ist ein tolles Turnier, wir sind 18 Privilegierte, die sie spielen dürfen. Wer das so sieht, sollte kein Problem mit der Motivation haben. Wir wollen uns mit starken Leistungen Respekt erarbeiten. Außerdem sind wir es unserem Sport und Deutschland schuldig, bei Länderspielen immer alles zu geben.