Hamburg. Nach dem Pokalaus in Osnabrück wünscht sich der HSV-Investor „mehr Arbeit an der Mannschaft“

Es wirkte alles wie immer. Um 10 Uhr stand die Mannschaft auf dem Trainingsplatz. Eine Übung mit eng gestecktem Spielfeld. Eine Übung mit kurzem Spielfeld und vielen Torabschlüssen. Dazwischen ein paar Erläuterungen von Trainer Markus Gisdol an der Taktiktafel. Ein paar Wehwehchen (Mergim Mavraj und Filip Kostic), ein bisschen Pflege für die Angeschlagenen (André Hahn und Aaron Hunt), dazu ein Rückkehrer (Albin Ekdal). Eben ein ganz normaler Trainingstag.

Eine ganz normale Woche ist es für den HSV allerdings nicht nach der 1:3-Niederlage im DFB-Pokal beim Drittligisten VfL Osnabrück. Eine Niederlage, die selbst in Zeiten des ganz normalen HSV-Wahnsinns jeglicher Normalität entbehrte. „Ich kann nicht einfach zum normalen Alltag übergehen“, hatte Trainer Gisdol am Tag nach der Blamage an der Bremer Brücke gezürnt und vor dem Bundesligaauftakt am Sonnabend gegen den FC Augsburg (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) Konsequenzen für seine Spieler angedroht.

Drei Tage vor dem Start in die neue Saison verzichtete Gisdol darauf, die gewohnten Abläufe zu verändern und in Panik zu verfallen. Ruhe bewahren lautet offenbar seine Marschroute, nachdem er am Montag in einer Teamsitzung noch richtig laut geworden war.

Auf den HSV und seinen Trainer könnten dennoch unruhige Zeiten zukommen, nachdem sich Investor Klaus-Michael Kühne am Mittwoch in einem Interview mit „Sky Sport News HD“ zu Wort gemeldet hat. Auf seinem Anwesen auf Mallorca wurde der 80-Jährige unter anderen zum Pokalaus des HSV befragt. Kühne konnte dabei nicht verbergen, wie ihn der Auftritt der Hamburger erschrocken habe. „Das Spiel war sehr enttäuschend, man kann es nur als Ausrutscher werten. Ich war auch konsterniert. Gegen zehn Mann eine so schlechte Leistung zu erbringen, das ist schon bemerkenswert“, sagte Kühne.

Zum ersten Mal richtete der einflussreiche Investor auch eine klare Botschaft an Markus Gisdol. „Der Trainer muss sehr viel mehr an der Mannschaft arbeiten, muss sie viel mehr fordern, muss sie zum Team zusammenformen, muss Führungsspieler entwickeln, damit das Ganze wirklich eine Stabilität bekommt und auch eine Zukunftsperspektive. Ich lebe im Augenblick von der Hoffnung“, sagte Kühne.

Ganz normale Aussagen, wie man sie vom meinungsstarken HSV-Gesellschafter kennt. Könnte man sagen. Kühne setzt den Trainer unter Druck – könnte man ebenfalls schlussfolgern. Bislang hatte sich Kühne in seinen Aussagen immer sehr kollegial über Gisdol geäußert. „Wenn das Konzept des Trainers unterstützt wird, bin ich bereit, weiterhin zu investieren“, wiederholte Kühne in diesem Jahr mehrfach.

Der Geldgeber hat in diesem Sommer wieder investiert. Er half dem Club, dass dieser für seine Neuzugänge rund 19 Millionen Euro investieren und den Gehaltsetat beibehalten konnte. Eine Qualitätsteigerung hat der HSV dadurch bislang nicht nachgewiesen. „Es wird offensichtlich noch schwerer als angenommen. Es ist ohnehin kein Zuckerschlecken, sich in einer starken Bundesliga zu behaupten“, sagt Kühne.

Der Investor baut damit bereits vor dem ersten Spieltag Druck auf den HSV auf. Seine Aussagen erinnern an die Situation vor einem Jahr. Damals hatte Kühne bereits nach dem enttäuschenden 1:1 am ersten Spieltag Trainer Bruno Labbadia öffentlich angezählt. „Abwarten, ob der Trainer die Mannschaft in Form bringen kann“, hatte Kühne gesagt und eine Saisonplatzierung zwischen Platz sechs und acht als Ziel ausgegeben. Sätze, die hinter den Kulissen des HSV für mächtig Wirbel gesorgt hatten. Labbadia hatte intern gefordert, Kühne solle seine Aussagen zurücknehmen. Das Ergebnis: Vier Wochen und vier Niederlagen später wurde Labbadia entlassen.

Dem Trainer wurde letztlich der schlechte Saisonstart zum Verhängnis. Damit der HSV in dieser Saison eine ähnliche Entwicklung vermeidet, hilft wohl nur eines: ein guter Saisonstart. „Ich erwarte, dass unsere Mannschaft zum Bundesliga-Auftakt gegen den FC Augsburg hochkonzentriert auftritt“, sagte HSV-Boss Bruchhagen. Schafft es der Club, mit drei Punkten in die Saison zu starten, hätte er gute Chancen, die angespannte Stimmung zu drehen. Die Möglichkeiten für einen Auftakterfolg stehen indes nicht schlecht, schließlich steht auch der FC Augsburg nach dem Pokalaus in Magdeburg unter Druck.

Den letzten Startsieg in eine Saison gelang dem HSV vor sage und schreibe sieben Jahren. Im August 2010 schafften die Hamburger unter dem neuen Trainer Armin Veh sogar zwei Siege in Folge und konnten es sich dadurch leisten, anschließend viermal in Folge nicht zu gewinnen und am Ende der Saison trotzdem noch Achter zu werden – auch wenn Veh zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr im Amt war. Aber das ist beim HSV heutzutage vor allem eines: ganz normal.