Montréal. Deutschlands bester Tennisprofi sichert sich durch Finalsieg über Roger Federer seinen zweiten Masterstitel

Den Moment seines größten Coups genoss Deutschlands neuer Tennisstar Alexander Zverev mit seinen wichtigsten Förderern. Glücklich strahlend nahm der 20-Jährige nach seinem Finaltriumph beim Mastersturnier im kanadischen Montréal über sein Idol Roger Federer neben seinen Eltern auf einem schwarzen Ledersofa Platz und präsentierte sich mit seinem gesamten Team. Noch auf dem Centre-Court hatten ihn die Ballkinder begeistert umzingelt. Der Wert ihrer Erinnerungsfotos steigt möglicherweise bald an: Mit seinem zweiten Masterstitel in diesem Jahr hat sich Zverev endgültig in die Rolle eines Mitfavoriten für die US Open gespielt. Das letzte Grand-Slam-Event des Jahres steht vom 28. August an in New York an.

„Die Zukunft hat begonnen“, schrieb Tennislegende Boris Becker, vor 31 Jahren letzter deutscher Sieger in Montréal, auf Twitter und zeigte sich beeindruckt von Zverevs 6:3, 6:4 über den 19-maligen Grand-Slam-Gewinner aus der Schweiz. Der gebürtige Hamburger dürfte hinter Australian-Open- und Wimbledonsieger Federer sowie French-Open-König Rafael Nadal (Spanien) als Titelkandidat gehandelt werden. Schließlich taucht das Toptalent in der neuen Weltrangliste als Siebter noch einen Rang besser auf als zuletzt.

„Ich spiele momentan das beste Tennis meines Lebens. Es fühlt sich nicht an, als ob sich die Dinge unnatürlich entwickeln. Ich denke, alles läuft ziemlich natürlich“, sagte Zverev. Im Moment passiert allerdings alles relativ schnell. Nach dem Triumph beim 500er-Event in Washington feierte er seinen zweiten Titel innerhalb einer Woche und seinen zweiten bei einem Mastersturnier nach seinem Erfolg in Rom im Mai, als er im Endspiel den Serben Novak Djokovic schlug.

Erstaunlich selbstverständlich nimmt der Jüngere der Zverev-Brüder mittlerweile selbst Herausforderungen gegen Topstars wie Federer an. Als Deutschlands größtes Tennisversprechen seit Langem, als Star der Zukunft, als künftige Nummer eins wird er seit ein paar Jahren gehandelt. Bei den Grand-Slam-Turnieren ist er diesen Beweis bislang aber schuldig geblieben. Seit seinem Achtelfinalaus in Wimbledon scheint Zverev jedoch an Souveränität gewonnen zu haben. Mit seinem neuen Trainer Juan Carlos Ferrero – den Spanier verpflichtete er Ende Juli – ist er unbesiegt. „Ich freue mich, dass er sein Tennis nicht nur auf das nächste Level gebracht, sondern um zwei Level angehoben hat“, sagte der 36 Jahre alte Federer, der über Schmerzen von der Belastung auf Hartplatz klagte und wegen Rückenproblemen für das Masters in dieser Woche in Cincinnati absagte.

Innerhalb von nur 68 Minuten hatte Zverev den Weltranglistendritten am Sonntag besiegt. Beide haben fünf Turniere in diesem Jahr gewonnen, Federer hat allerdings zwei Grand-Slam-Erfolge auf seiner Habenseite. Beide eint, dass keiner ihnen vor der Saison zugetraut hätte, so aufzutrumpfen. Mit Zverev war nicht in dem Maße zu rechnen, weil er erst 20 Jahre alt ist. Mit Federer nicht, weil er ein halbes Jahr verletzt ausgesetzt hatte.

Zverevs großes Ziel ist die Teilnahme am ATP-Tourfinale in London (12. bis 19. November), bei dem die besten acht Spieler des Jahres startberechtigt sind. In dieser Woche kämpft er in Cincinnati um weitere Punkte für die Rangliste. Nach einem Freilos trifft er voraussichtlich am Mittwoch auf den Sieger der Partie Maximilian Marterer (Nürnberg) gegen Frances Tiafoe (USA).