London. Vetter, Röhler und Hoffmann schielen im Speerwerfen auf die Plätze eins bis drei

Es liegt was in der Luft für die deutschen Leichtathleten an diesem Sonnabend (21.15 Uhr MESZ, ZDF). Drei deutsche Speerwerfer kämpfen bei den Weltmeisterschaften in London nicht nur um eine Medaille, sondern um mindestens zwei. Olympiasieger Thomas Röhler aus Jena geht noch einen Schritt weiter: „Wir sind verrückt genug, von Gold, Silber, Bronze zu träumen.“ Auch der Deutsche Meister Johannes Vetter (Offenburg) sagt: „Ich träume von drei Medaillen für Deutschland.“

Völlig aus der Luft gegriffen scheint diese Wunschvorstellung nicht. Vetter (94,44 Meter), Röhler (93,90) und An­dreas Hofmann (Mannheim/88,79) belegen in der Weltjahresbestenliste die Plätze eins bis drei. Und sie sind in der entscheidenden Saisonphase offenbar bereit zum großen Wurf. Alle drei. „Ich bin verletzungsfrei, die Form passt, es stimmt alles“, freute sich Vetter nach seinen 91,20 Metern in der Qualifikation gleich im ersten Versuch. Nie warf ein Athlet bei einer WM-Qualifikation weiter.

Typisch Vetter, sagt Röhler. „Johannes kennt nur all in“ – voller Einsatz. Und er selbst? 83,87 Meter im zweiten Versuch lagen zehn Meter unter seiner Bestweite. Der Thüringer lächelt: „Ich bin von uns dreien der Präzise, der mit dem Speer am meisten spielt.“ Hofmann ist eher der Überraschungskandidat, der mit seiner Wucht der nächste 90-Meter-Werfer werden könnte. Der Mannheimer ist 25, genau wie Röhler, Vetter sogar ein Jahr jünger. 2015 standen sie bereits zu dritt im WM-Finale von Peking, Röhler wurde Vierter, Hofmann Sechster vor Vetter.

Damals blieb die glänzende Ausgangsposition ungenutzt. Seitdem ist viel passiert. Nicht nur, dass Röhler in Rio Gold gewann, sie alle an Erfahrung zugelegt, ihre Bestweiten deutlich gesteigert haben. Röhler und der neue deutsche Rekordinhaber Vetter haben sich in der Diamond League als Sieger quasi abgewechselt. Der Offenburger hat im Juli in Luzern sogar in einem Wettkampf viermal die 90 Meter übertroffen; nur Röhler überbot diese Marke in diesem Jahr ebenfalls.

Viel deutet auf einen Zweikampf dieser beiden um Gold und Silber hin. „Wir dürfen auf keinen Fall die internationale Konkurrenz aus den Augen verlieren“, warnt Bundestrainer Boris Obergföll. Titelverteidiger Julius Yego aus Kenia, Keshorn Walcott, Olympiasieger von 2012 aus Trinidad/Tobago, der finnische Routinier Tero Pitkämäki oder der Tscheche Jakub Vadlejch lauern auf eine Schwäche.

Die deutsche Vormachtstellung ist nicht nur an der Spitze groß; sechs Werfer überboten die WM-Norm von 83 Metern, nur drei durften nach London. „Unser Vorteil ist“, erklärt der Bundestrainer, „dass über die Jahre alles zusammengeführt wurde, was Athleten und Trainer an Methoden einsetzen.“ Das sei zu Beginn seiner Amtszeit 2009 anders gewesen, „da war ich der Wessi-Bundestrainer“. Es dauerte, bis Vertrauen gewachsen war. Bis die Speerwurf-Zentren in Offenburg, Mainz, Potsdam oder Erfurt ihre Ideen austauschten. „Seit zwei Jahren machen wir Workshops, da werden alle Geheimnisse offengelegt. Jeder kann sich aus der Bastelbox rausnehmen, was er braucht für seine Athleten.“ Weil sich alle verbessert haben, sind alle jetzt davon überzeugt. „Wir alle“, betont Obergföll, „ernten die Früchte des Erfolges.“