Hamburg. Der HSV startet im DFB-Pokal in Osnabrück in die Saison. Trainer Gisdol will den Spielstil entwickeln

Markus Gisdol musste aufpassen, dass der andauernde Regen im Volkspark nicht die Zeichnungen auf seiner Taktiktafel verwischt. Immer wieder holte der HSV-Trainer im Training am Freitag seine Spieler zusammen. Laufverhalten vermitteln, Angriffsmuster aufzeigen, Lösungswege offenlegen. Zwei Tage vor dem Pflichtspielauftakt im DFB-Pokal beim VfL Osnabrück am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) feilte Gisdol mit seinem Team an taktischen Varianten, um die schwierige Aufgabe beim Drittligisten zu lösen. „Wir sind total gewarnt und müssen auf der Hut sein. Wir werden das Spiel angehen wie ein Bundesligaspiel“, sagte Gisdol am Freitag.

Fünf Wochen hat sich der Chefcoach Zeit genommen, seine Mannschaft auf den Saisonstart vorzubereiten. Nun ist es endlich so weit. Endlich wieder Fußball spielen. So oder so ähnlich könnte nicht nur das Motto für das erste Pflichtspiel lauten, sondern auch für den nächsten Schritt in der Entwicklung des HSV. Gisdol, vor etwas mehr als zehn Monaten in Hamburg angetreten, um den Fußball im Volkspark moderner und attraktiver zu gestalten, ist in seiner zweiten Saison als Entwickler gefordert. „Wir wollen insgesamt ein besseres Repertoire haben“, sagt der Trainer über seine Pläne.

Das Pressing soll die Basis des HSV-Spiels bleiben

Wie Gisdols Idealvorstellung vom Fußball aussieht, hat er schon häufig beschrieben. Schnelles Vertikalspiel in die Spitze, überfallartiges Umschalten, aggressives Pressing und Gegenpressing. Facetten, die das Spiel des HSV in der Rückrunde der vergangenen Saison ausgezeichnet haben, als die Mannschaft ihre Aufholjagd startete. „Wir haben viele Spiele gegen vermeintlich stärkere Gegner gewonnen, weil wir uns zu einer der besten Pressingmannschaften entwickelt hatten“, sagt Gisdol rückblickend über das Frühjahr, der vermutlich stärksten Phase des HSV in den vergangenen zwei Jahren.

Es dauerte allerdings nicht lange, ehe Ende April eine der schwächsten Hamburger Phasen folgte. Gelähmt durch die Angst in der Endphase des Abstiegskampfs war der Fußball des HSV geprägt durch lange Bälle, Fehlpässe und spielerischen Stillstand. Eine Zeit, die Gisdol als Ausnahmezustand beschrieb. Der Druck sei gewaltig gewesen, er habe spielerische Abstriche akzeptieren müssen.

Nun beginnt eine neue Saison, neue Spieler sind gekommen, neue Möglichkeiten entstehen. Und auch der HSV will sich von einer neuen Seite präsentieren – ohne seine alten Stärken zu verlieren. „Das Pressing wird weiterhin unsere absolute Basis sein. Darauf aufbauend wollen wir uns weiterentwickeln in Spielen, in denen der Gegner organisiert ist, in denen wir Lösungen finden müssen“, sagt Gisdol. Spiele, wie sie am Sonntag in Osnabrück und am Sonnabend darauf zum Bundesligastart gegen den FC Augsburg zu erwarten sind.

Zwei Spiele, die maßgeblich darüber entscheiden, mit welcher Stimmung der HSV in die Saison starten kann. Schafft er es erstmals seit sechs Jahren, mit einem Auftaktsieg in die Saison zu starten, oder steht der Club gleich wieder mit dem Rücken zur Wand? Viel wird davon abhängen, ob Gisdol der angestrebte Fortschritt in der spielerischen Entwicklung des Teams gelingt. „Ich sehe mich als einen Fußball-Entwickler, der ein Team formieren, schulen, antreiben und gewissermaßen auch etablieren möchte“, sagte Gisdol kürzlich im Interview mit dem „Kicker“.

Holtby und Hunt sollen spielen, Lasogga kann gehen

Mit den Neuzugängen wird es Gisdol allerdings schwerfallen, die Mannschaft fußballerisch zu entwickeln. André Hahn hilft der Mannschaft mit seiner Mentalität, weniger mit seinen spielerischen Fähigkeiten – ebenso wie Rick van Drongelen. „Wir haben mit Augenmaß unseren Kader verändert und Wert auf Charaktereigenschaften wie Erfolgshunger und Mentalität gelegt“, sagt Gisdol. „Wir wollen eine Mannschaft mit Strahlkraft, die den Zuschauern vermittelt, dass sie immer an die Grenzen geht.“

Und eine Mannschaft, die fußballerische Fortschritte macht. Spielerische Impulse sollen zunächst zwei Spieler geben, die der HSV ursprünglich als Verkaufskandidaten ausgemacht hatte, um den Gehaltsetat zu senken: Lewis Holtby und Aaron Hunt. Die beiden Topverdiener zählen zu den Gewinnern der Vorbereitung. In Osnabrück könnten überraschenderweise beide in der Startelf stehen. Im Training am Freitag spielte Holtby im offensiven Mittelfeld, Hunt als Aufbauspieler auf der Sechs.

Pierre-Michel Lasogga wird an der spielerischen Entwicklung der Mannschaft keinen Anteil mehr nehmen. Der bullige Stürmer steht vor einem Wechsel zum englischen Zweitligisten Leeds United (das Abendblatt berichtete). Ein schneller Abschluss des Transfers ist zwar nicht zu erwarten. Klar ist: Der HSV will einen spielerischen Neuanfang – und dabei hat Lasogga ausgespielt.