Hamburg. Amateure-Report Keine Schulden, große Ziele: In fünf Jahren möchte sich der Traditionsclub im oberen Drittel der Regionalliga etablieren. Neues Stadion gesucht

Donnerstag, 27. Juli: Altonas Manager Andreas Klobedanz sitzt im kleinen Geschäftszimmer an der Adolf-Jäger-Kampfbahn (AJK). Während des Gesprächs wird er plötzlich melancholisch: „Ich würde gerne für immer hier an der AJK bleiben. Mir kommen die Tränen, wenn ich daran denke, dass wir hier irgendwann wegmüssen. Das kannst du ruhig so schreiben.“

Drei Tage später. Schon eine halbe Stunde vor dem Auftakt der Regionalliga Nord gegen den TSV Havelse sieht Altonas Präsident Dirk Barthel geschafft aus. „Endlich geht es los mit uns in der Regionalliga Nord. Da gehören wir hin“, sagt Barthel. „Sie glauben nicht, was es für eine Arbeit war, hier anzukommen.“ Neben Barthel liegt das erste Stadionheft der neuen Saison, mit einem Vorwort des Präsidenten. Drin steht, der Klassenerhalt sei „keine Utopie“. Der Auftakt geht mit 1:2 verloren.

Sonnabend, 5. August: Altonas Trainer Berkan Algan entert den Pressecontainer beim HSV II vor dem Kick der Rothosen gegen Egestorf-Langreder. „Das war doch geil, oder?“, ruft Algan euphorisch. Er meint das furiose 3:3 gegen den englischen Premiere-League-Club West Ham United ein paar Tage zuvor vor 5000 Fans an der AJK. Die Journalisten nicken lächelnd, Algan strahlt. Einen Tag später dürfen 400 Altona-Anhänger den ersten Sieg in der Regionalliga Nord feiern, ein 2:1 beim Lüneburger SK.

Ungewissheit, Kampf, Rebellentum, Freude und ganz viel Leidenschaft – das war und das ist Altona 93. Der Club, der wie kein Zweiter im Hamburger Amateurfußball die Fans elektrisiert, lieferte in den vergangenen Wochen in Momentaufnahmen immer wieder Einblicke in sein facettenreiches und emotionales Innenleben. Und der Verein startete gut in die Regionalliga Nord. Ein Sieg, eine Niederlage, „das passt“, so Algan.

Nach dem geglückten Aufstieg hatten sich Altonas Verantwortliche ans Werk gemacht. Abermals gab es auf sportlicher Seite einen Umbruch im Kader mit zwölf neuen Spielern, wirtschaftlich erfüllte der Club die Auflagen für ein regionalligataugliches Stadion. Auf „circa 50.000 Euro“ hatte Altonas Manager Andreas Klobedanz die Kosten für den Umbau der AJK, an der hauptsächlich 2,20 Meter hohe Zäune rund ums Spielfeld installiert wurden, zuvor veranschlagt. „Mit dieser Summe“, sagt er heute, „sind wir ausgekommen. Überhaupt haben wir seriös geplant, keine Luftschlösser gebaut. Schuldenfrei zu sein ist uns ganz wichtig. Die Zeiten, in denen es anders war, will keiner zurück.“

In der Saison 2008/2009 war Altona 93 zuletzt in der Regionalliga Nord vertreten, wirtschaftete schlecht, stieg mit einem dicken Minus ab. Davon ist heute keine Rede mehr. „Wir konnten den Etat sogar um 20 Prozent steigern“, so Klobedanz. Nach Abendblatt-Informationen dürfte dieser bei 500.000 Euro liegen. Kalkuliert wird sehr konservativ mit 1000 Fans pro Spiel.

Das kurzfristige Ziel versteht sich dabei fast von selbst: Klassenerhalt. Doch mittelfristig wünscht sich Altona 93 mehr. Der Club möchte sich als Nummer drei im Hamburger Stadtgebiet etablieren. Hinter dem HSV und dem FC St. Pauli, aber eben eine Klasse besser als die Oberliga Hamburg. Der künftige Platz von Altona 93 soll also genau an der Schnittstelle zwischen Amateur- und Profifußball liegen. „Wir haben eine wahnsinnige Zugkraft“, weiß Klobedanz. Für Talente in Hamburg und Umgebung ist der Club nun ebenso interessant, wie er im Ausland bekannt ist. Im Sommer schickten Spieler aus der halben Welt Videos an den Verein, die beim AFC vorspielen wollten.

Der Manager denkt nicht nur an das Tagesgeschäft, er betätigt sich auch als Umsetzer der prosaischen Worte seines Trainers. „Bei uns in Altona gibt es eine unheimliche Kraft. Wenn wir aufsteigen, wird es einen hübschen kleinen Knall geben, und der wird Energien freisetzen“, erklärte Algan häufig, als der Verein noch in der Oberliga Hamburg kickte. Klobedanz übersetzt diese Worte in „das gemeinsame Ziel, in ungefähr fünf Jahren im oberen Drittel der Regionalliga Nord mitzuspielen“. Allerdings stellt sich bei einem Blick auf die in diesen Tabellenregionen notwendigen Etats die Frage, wie das bewerkstelligt werden soll. So exorbitant wachsen können die Zuschauerzahlen wohl selbst in Altona nicht, und das Duo der Hauptsponsoren aus Präsident Dirk Barthel und Mike Perlwitz kann und will aus geschäftlicher Vernunft – beide sind in familieneigenen Armaturen-Firmen tätig – keine nicht zu vertretenden Summen investieren.

Klobedanz jedoch sieht einen anderen Hebel: das Fernsehen. In dieser Saison werden bis zu 60 Spiele der Regionalligen, meist am Montagabend, live bei Sport 1 gezeigt. „Zum ersten Mal werden dabei auch Gelder an die Vereine ausgeschüttet. Um welche Summen es geht, ist noch offen. Aber wir sind für sechs Übertragungen in der engeren Auswahl.“

Mit dem TV soll das Interesse an der Regionalliga steigen

Dem Manager geht es dabei weniger um die Gelder, die diese Saison in die Kasse fließen werden, sondern um die Entwicklung. „Je interessanter die Regionalliga Nord wird und je häufiger wir bundesweit zu sehen sind, desto größer wird unsere Attraktivität für weitere Partner der Kategorie Barthel oder Perlwitz.“ Mike Perlwitz, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Perlwitz-Armaturen, stimmt zu: „Ich fühle mich unglaublich heimisch, auch wenn ich nicht auf dem Zeckenhügel stehe bei den Spielen. Unabhängig davon sehe ich, dass ein Engagement bei Altona 93 für einen Sponsor einen Werbewert mit sich bringt.“

Etwas Luft im Plan hat Altona 93 noch. „Spätestens 2026“, sagt Klobedanz, „müssen wir die Adolf-Jäger-Kampfbahn verlassen.“ Den Kaufvertrag auslaufen zu lassen, da keine Ersatzfläche für ein neues Stadion vorhanden sei, sei nicht möglich. Bis dahin muss der Club also eine alternative Spielstätte gefunden haben – und will fester Bestandteil der Regionalliga sein. Altona 93 stehen spannende Zeiten bevor.