Hamburg. Der aussortierte Mittelstürmer verhandelt mit Leeds United über einen Wechsel. Der HSV könnte viel Gehalt sparen

und Henrik Jacobs

Retter oder Millionen-Flop? Die Frage, wie Pierre-Michel Lasogga in die HSV-Geschichte eingehen wird, ist wahrscheinlich nie zu klären. Beides ist schließlich wahr. Der Tag, an dem der 25-Jährige tatsächlich Geschichte ist beim Hamburger SV, der rückt allerdings immer näher. Lasogga wird vom englischen Zweitligisten Leeds United umworben, wie das Abendblatt aus England erfuhr. Der HSV wollte sich auf Nachfrage nicht äußern, aber der Club ist nur zu gerne bereit, den Stürmer abzugeben.

„Wir prüfen alle Optionen und werden eine Entscheidung treffen“, sagte Lasoggas Berater Didier Frenay dem Abendblatt. Das Ende einer außergewöhnlichen Beziehung naht.

Am Donnerstag übte der Mittelstürmer im Dauerabseits mit dem Rekonvaleszenten Filip Kostic auf einem Nebenplatz, während sich der gesunde Kader unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf die Pokalpartie am Sonntag (15.30 Uhr) beim VfL Osnabrück vorbereitete. Lasogga zwickt die stämmige Wade, aber egal – auch sonst spielte er in den Planungen von Trainer Markus Gisdol keine Rolle.

Seit Beginn der Vorbereitung ließ der Coach auch in den internen Trainingsspielen seine Nummer zehn sozusagen „rechts liegen“. Im rechten Mittelfeld musste er ran. Die Positionen in der Angriffsmitte sind durch Bobby Wood, Sven Schipplock, Luca Waldschmidt und Jan-Fiete Arp besetzt. Klarer konnte Gisdol seine fehlende Wertschätzung nicht demonstrieren. Der kräftige Mittelstürmer passt nicht ins System – zu langsam, zu unbeweglich, technisch zu schwach. Und zu teuer.

3,4 Millionen Jahresgehalt hatte der Spieler und seine Berater um die Mutter Kerstin 2014 für einen Fünf-Jahres-Vertrag ausgehandelt. Der HSV taumelte in der Euphorie des glücklichen Klassenerhalts im Relegationsspiel gegen die SpVgg Greuther Fürth, den Lasogga mit seinem Auswärtstor beim 1:1 in Franken entschieden hatte. Und der HSV taumelte in der Euphorie der Ausgliederung und der vermeintlich grenzenlosen Möglichkeiten. Noch war Oliver Kreuzer Sportchef, aber im Hintergrund zogen die neuen Chefs um Dietmar Beiersdorfer schon die Fäden. 8,5 Millionen Euro hat der HSV im Sommer 2014 an Hertha überwiesen, Sportchef Michael Preetz handelte in einer wochenlangen Hängepartie den Preis immer höher. Die feste Verpflichtung des populären Retters, der in der regulären Saison 2013/14 in 20 Spielen 13 Tore geschossen hatte, war wie ein Versprechen auf eine grandiose Zukunft. Es erfüllte sich ebenso wenig wie die großen Hoffnungen in die ausgegliederte Sport AG.

Dabei hatte Lasogga ja durchaus große Momente. Neben dem Tor in Fürth war auch sein einziger Saisontreffer zum 1:1 auf Schalke in dieser Saison entscheidend für den Klassenerhalt. Der „Doppelpack“ beim 2:1 gegen Werder Bremen im April 2016 ist bei HSV-Fans ebenso unvergessen. Lasogga ist beliebt in der Mannschaft und bei den Fans, gibt geduldig Autogramme und posiert für Selfies. „Er hat sich hier immer tadellos verhalten“, lobte Sportchef Jens Todt den schon aussortierten Spieler.

Auf zwölf Millionen Euro taxierte Ende August 2014 „Transfermarkt“ den Marktwert des gebürtigen Gladbeckers, inzwischen wird er nur noch mit zwei Millionen Euro gehandelt. Doch selbst ob der HSV die noch erzielen kann, ist äußerst fraglich. Seit Wochen wird Lasogga angeboten wie ein alter Diesel. Für den will auch niemand etwas bezahlen. Doch die Hauptsache für den HSV ist eben, dass man ihn „aus der Garage kriegt“. Also das hohe Gehalt einspart.

Der Spieler hat noch einen Vertrag bis 2019, das heißt Anspruch auf 6,8 Millionen Euro. Gut möglich, dass Leeds darauf spekuliert, dass der HSV einen Teil des Salärs weiter aufbringt. Die Verhandlungen, so viel ist zu hören, laufen.

Auch Lasogga ist nun bereit, den Volkspark zu verlassen. Mit dem Thema England hat sich der Angreifer bereits intensiv auseinandergesetzt. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass mein Traum ist, in der Premier League zu spielen“, sagte Lasogga einmal. Newcastle United war 2014 und 2015 intensiv interessiert. 2015 soll der Club aus dem Norden Englands sogar bereit gewesen sein, sieben Millionen Pfund (7,75 Millionen Euro) auszugeben, der HSV forderte aber rund elf Millionen. Lasogga blieb.

Trainer bei Leeds United ist seit Saisonbeginn der ehemalige Bundesligaprofi Thomas Christiansen (Bochum, Hannover). Mit dem ehemaligen Bremer Torwart Felix Wiedwald steht bereits ein deutscher Profi bei den Engländern unter Vertrag. Das Ziel des dreimaligen Meisters ist die Rückkehr in die Premier League, aus der der Club 2004 abgestiegen ist. „Ich bin sehr ehrgeizig“, sagt Christiansen: „Wenn wir es in diesem Jahr schaffen, wäre es fantastisch, aber auch im nächsten wäre es nicht schlecht.“ Eines ist aber auf jeden Fall klar: Lasogga kennt sich aus bei Vereinen mit großen Namen, deren Gegenwart nicht mehr so ganz zur ruhmreichen Vergangenheit passt.