Hamburg. Die Rollstuhlbasketballer des HSV stehen vor ungewisser Zukunft – Hauptsponsor zahlt ab 2018 weniger. Droht das Ende?

Es gab mehrere Momente, da wollte Holger Glinicki alles hinwerfen. Als die Zweifel kamen: Was soll das noch alles,, und wofür mache ich das? Wieder von vorne beginnen, nicht mehr konkurrenzfähig sein. Alles, was aufgebaut wurde, ist wieder eingerissen. „Diesen Umbruch jetzt, den haben wir nicht gewollt“, sagt der Trainer der BG Baskets. „Das war alles anders geplant.“

Das Rollstuhlbasketballteam des HSV steht vor einer ungewissen Zukunft. Von den ambitionierten Zielen der jüngeren Vergangenheit ist wenig übrig geblieben. Der Traum von einem Spitzenteam scheint ausgeträumt, auch wenn der HSV offiziell mitteilt: „Rollstuhlbasketball soll weiter ein wichtiger Teil in unserem Spitzensportkonzept sein.“

Der Umbruch war nicht gewollt

Doch die populären Stars sind weg. Publikumsliebling Hiroaki Kozai spielt in der kommenden Saison in Wetzlar, Topscorer Jake Williams in Thüringen, Kapitän Gaz Choudhry in Spanien, auch der deutsche Nationalspieler Matthias Heimbach ist nicht mehr da. Eine Massenflucht. Nur Karlis Podnieks, Kai Möller und Anne Patzwald sind vom Team der vergangenen Saison noch übrig geblieben. „Zwischenzeitlich hatte ich keine Mannschaft mehr und wusste nicht, wie es weitergeht“, sagt Trainer Glinicki. „Es ist frustrierend.“

Ein Topteam in der Edel-Optics.de-Arena in Wilhelmsburg war auch als Zugpferd und bester Werbeträger für die WM im August 2018 in Hamburg geplant. Spitzensport als Anschmecker für das größte Behindertensportevent nach den Paralympics. Und bekannte HSV-Spieler mit ihren jeweiligen Nationalmannschaften in heimischer Halle. So war der Plan. Durch die Partnerschaft mit dem BG Klinikum Boberg hatte der HSV die Möglichkeit, eine Spitzenmannschaft aufzubauen, die den späteren Doublesieger aus Wetzlar in der vergangenen Saison sogar zweimal bezwingen konnte. Rollstuhlbasketball wurde auch zum paralympischen Stützpunkt in Hamburg.

Fantastische Möglichkeiten in Hamburg

Etwa 300.000 Euro beträgt der Etat für das Bundesligateam, der zum weitaus größten Teil von der Klinik getragen wird. Das BG Klinikum bietet auch zahlreiche Sachleistungen. So wohnen die Spieler in Appartements des Klinikums, nehmen dort Sport- und Therapieeinrichtungen sowie sportärztliche Versorgung wahr.

Für das BG Klinikum war (und ist) das Engagement im Rollstuhlsport naheliegend. Sport ist ein wesentlicher Teil der Rehabilitationsmaßnahme für Verunfallte, die Spitzenathleten der BG Baskets dienen auch als Vorbilder. Spieler wie Williams und Choudhry sind Weltstars in ihrem Sport, die sich gerne in die Hansestadt locken ließen. „Die Möglichkeiten hier sind fantastisch“, sagte der Amerikaner Williams.

Neue Geldgeber gesucht

Der HSV steuerte im Rahmen seiner Top-Team-Förderung einen mittleren fünfstelligen Betrag bei, außerdem gibt es einige kleinere Sponsoren. Doch entscheidend ist das BG Klinikum. „Ohne uns würden die BG Baskets nicht stattfinden“, sagt BG-Sprecher Ulf Mehrens.

Doch dann änderte sich die Lage. Seit dem 1. Januar 2016 ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit des BG Klinikums Boberg Geschichte. 13 deutsche berufsgenossenschaftliche Kliniken schlossen sich zu einem Konzern mit Sitz in Berlin zusammen. Seit September 2016 führt in Hamburg die Sportwissenschaftlerin Sylvia Langer das operativ-wirtschaftliche Geschäft – auch mit der Aufgabe, Sparpotenziale aufzudecken. Eines davon ist das Sponsoring des Basketballteams.

Vorgänge erinnern an Volleyballer von Aurubis

Diese Saison gilt vertragsgemäß noch der bisherige Umfang, dann ist Schluss. „Es ist kein Ende unseres Sponsorings in Sicht“, sagt Mehrens. „Es ist nur eine Frage des Volumens. Der HSV sollte noch drei, vier weitere Sponsoren finden. Wir bieten da gerne unsere Hilfe zur Selbsthilfe an.“ Der Verein sucht nach eigener Auskunft bereits eifrig neue Geldgeber: „Wir führen zahlreiche Gespräche mit Unternehmen zur Förderung des Rollstuhlbasketballs.“

Der ganze Vorgang erinnert jedoch stark an die Geschichte des Volleyballteams Hamburg, wo Haupt- und Namenssponsor Aurubis ebenfalls mit zeitlichem Vorlauf das Ende seines Sponsorings für die Frauen-Bundesligamannschaft verkündete. Der Verein war aber fast zwei Jahre lang nicht in der Lage, ausreichend neue Geldgeber zu finden, und zog sich deshalb 2016 aus der Bundesliga zurück.

HSV ließ Termine platzen

Im Frühjahr entstand der Eindruck von Handlungsunfähigkeit beim HSV, als es darum ging, Spielerverträge mit den Stars zu verlängern. Der damalige Geschäftsführer Jörn Spuida ließ mehrmals fest verabredete Termine zu Vertragsunterschriften quasi im letzten Moment platzen, erschien nicht zu Meetings, war „krank“, bat um Verschiebung. Irgendwann hatten die Spieler die Nase voll und nahmen andere Angebote an. Der HSV entließ Spuida am 8. Mai fristlos ohne weitere Begründung von einem Tag auf den anderen.

„Die Leute beim HSV bemühen sich jetzt sehr“, sagt Glinicki. Zahlreiche Gespräche hat er geführt, versucht, neue Spieler zu locken. Das ist dem 64-Jährigen in Absprache mit Kumar Tschana, dem Leiter Amateursport im HSV, gelungen. „Wir haben neue Spieler aus dem Iran, aus Israel. Aber wir haben längst nicht mehr das Niveau vom Vorjahr“, sagt der erfahrene Coach: „Jetzt ist alles geregelt – fürs nächste Jahr aber muss man sich Gedanken machen.“