London. In London kämpfen die besten Leichtathleten der Welt um Medaillen. Favoriten sind auch deutsche Speerwerfer

71 deutsche Leichtathleten, darunter viele Debütanten, gehen bei den am Freitag beginnenden Weltmeisterschaften in London an den Start. Idriss Gonschinska, Leitender Direktor Sport im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) „hätte nichts dagegen, wenn es ausgeht wie in Peking“, hält das aber selbst für unrealistisch. Bei der WM 2015 in China gewannen die Deutschen acht Medaillen (zwei Gold, drei Silber, drei Bronze). Allerdings fehlen dem DLV-Team Stars wie Diskus-Olympiasieger Christoph Harting (nicht qualifiziert), der Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz (Mutter von Zwillingen), Hürdensprinterin Cindy Roleder, Silbermedaillengewinnerin von Peking (verletzt), oder Hammerwerferin Betty Heidler (Karriereende). Ein Blick auf die Medaillenchancen.

Speerwurf: Vierter Thomas Röhler, Sechster Andreas Hoffmann, Siebenter Johannes Vetter – so lauteten die deutschen Platzierungen bei der WM in Peking. Jetzt sieht die Weltjahresbestenliste so aus: Erster der deutsche Rekordinhaber Vetter, Zweiter Olympiasieger Röhler, Dritter Hoffmann. Also Gold-Silber-Bronze in London? Röhler warnt vor Übermut, sagt aber auch: „Wir sind verrückt genug zu träumen, alle drei Medaillen mit nach Hause zu nehmen.“

Sprintstaffel der Frauen: Ein junges Quartett gewann auf den Bahamas bei der Staffel-WM, den sogenannten World Relays, erstmals Gold für Deutschland über 4x100 Meter. Gut, die US-Amerikanerinnen schieden nach Sturz aus, Jamaika trat nicht in Bestbesetzung an. Aber mit Gina Lückenkemper fehlte auch Deutschlands schnellste Sprinterin. Wenn sich die DLV-Staffel in London wieder als Team mit perfekten Wechseln präsentiert, ist Bronze greifbar. „Wir laufen um eine Medaille“, sagt Lisa Mayer (21).

Zehnkampf/Siebenkampf: Traditionell starke deutsche Disziplinen. Rico Freimuth ist in diesem Jahr mit 8663 Punkten der Beste der Welt, Titelverteidiger Ashton Eaton aus den USA nach Gold in Rio zurückgetreten. „Ein Weltmeister aus Deutschland? Warum nicht“, sagt Freimuth, der 2015 schon WM-Bronze gewann. Bei den Frauen war 2017 im Siebenkampf nur die Belgierin Nafissatou Thiam (7013 Punkte) besser als Carolin Schäfer (6836). Die Juniorenweltmeisterin von 2008 hat sich seit Platz fünf in Rio enorm verbessert. Bestätigen beide Deutschen ihre Leistungen, haben sie Medaillen fast sicher.

Diskus: Das operierte Knie des dreimaligen Weltmeisters Robert Harting (32) hält, und er liebt das Stadion in London: Hier wurde der Berliner 2012 Olympiasieger. Seine jungen Herausforderer können zwar große Weiten vorweisen, aber noch keine Medaillen von Bedeutung. Dennoch muss Harting seine Jahresbestleistung von 66,30 Metern steigern, will er erneut aufs WM-Podium. Dorthin wollen auch Nadine Müller (wie WM 2011 und 2015) und Robert Hartings Ehefrau Julia. Die 27-Jährige sagt: „Fünfte oder Sechste war ich oft genug, jetzt will ich eine Medaille.“

Kugelstoßen: David Storl gewann bei den vergangenen drei WM zweimal Gold, einmal Silber. Sein Leistungstief von 2016 hat der junge Vater überwunden, auch mit Hilfe seines neuen Mentalcoaches Matthias Große. Bei seinem letzten Wettkampf in Gotha meldete er sich mit 21,87 Metern in der Weltspitze zurück. Steigert er sich noch ein bisschen, kann er sich mit seiner vierten WM-Medaille belohnen. Nur der in dieser Saison konstant sehr weit stoßende Ryan Crouser aus den USA (22,65 Meter) scheint für Storl unerreichbar.

3000 Meter Hindernis: Was nutzt es bei einer WM, die schnellste Europäerin zu sein, wenn ein halbes Dutzend schnellere Afrikanerinnen auf der Strecke sind? 2015 in Peking nutzte Gesa-Felicitas Krause die Unentschlossenheit der Konkurrenz, in einem Bummelrennen Bronze zu ersprinten. Sie hat seitdem ihre Bestzeit mehrfach gesteigert. Und hofft erneut auf einen gemächlichen Rennverlauf.

Hochsprung: Mit einem Satz in Bottrop über 2,35 Meter katapultierte sich Mateusz Przybylko auf Rang zwei der Weltjahresbestenliste hinter dem Katari Mutaz Esra Barshim (2,38). „Ich habe noch mehr in mir drin“, sagte der 25-Jährige nach dem Gewinn seines ersten Meistertitels in Erfurt locker. Wenn sich das bestätigt, ist eine Medaille möglich.

Hürdensprint: Auch ohne die verletzte Cindy Roleder hat Deutschland zumindest eine Finalanwärterin für die kurze Hürdendistanz. Die ersten acht Saisonrennen gewann die um zehn Kilo abgespeckte Wattenscheiderin Pamela Dutkiewicz, erst beim World-League-Meeting in Monaco gab es einen Dämpfer. Eine leise Medaillenhoffnung.