Rotterdam. Mit dem Viertelfinale gegen Dänemark wird es heute Abend ernst für die deutsche Frauennationalelf bei der EM in den Niederlanden

Nach den ersten Runden Warmlaufen geht es in den Kreis: Das Fünf-gegen-zwei-Spielchen steht eben auch in der deutschen Frauen-Nationalmannschaft hoch im Kurs. Wenn Dzsenifer Marozsan und Co. sich im Sportpark Zegenwerp in Sint-Michielsgestel die Bälle zuspielten, schlenderte Steffi Jones bisher oft weit abseits der Mannschaft über den gepflegten Rasen, scherzte mit dem Betreuerstab, passte sich Bälle mit ihren Helfern zu. Doch am Donnerstagabend beobachte die Bundestrainerin mit Argusaugen jede Übung. In der Hand trug sie ihre Kladde herum. Klares Indiz: Mit dem Viertelfinale gegen Dänemark (Sonnabend, 20.45 Uhr/ZDF und Eurosport) wird es ernst für die DFB-Auswahl bei dieser Frauen-EM.

Bevor der deutsche Tross am Freitagmittag in den Mannschaftsbus stieg, der nach Rotterdam fuhr, hat Jones ihre Aufstellung bereits im Kopf. Die Zeit der Experimente ist beendet. Fest steht: Am Grundgerüst wird bei der 44-Jährige nicht gerüttelt. Ihre ersten Vertrauten sind die vier Führungsspielerinnen: Torhüterin Almuth Schult, Abwehrchefin Babett Peter, Kapitänin Dzsenifer Marozsan und Youngster Sara Däbritz besitzen eine Einsatzgarantie. Aber auf wen kann sich Jones verlassen?

Zuerst auf ihre Nummer eins. Schult (45 Länderspiele) spielt bislang ein fehlerloses Turnier. Ihre Parade gegen Italien bei einem tückischen Freistoß in der Schlussphase war eine Rettungstat, die auf der Uefa-Homepage als eine der besten EM-Paraden in Endlosschleife läuft. Die 26 Jahre alte Torfrau des VfL Wolfsburg, die tunlichst ein Erfolgserlebnis ihrer Clubkollegin Pernille Harder verhindern will, strahlt viel Selbstbewusstsein aus. Schult unterhält regelmäßigen Kontakt mit Nadine Angerer, der EM-Heldin von vier Jahren.

Stark spielt bisher auch Peter (110 Länderspiele). Noch eine, die aus dem Alltag im Werksclub Wolfsburg weiß, wie Dänemarks Topstar agiert. „Pernille Harder ist eine super, super Spielerin“, sagt die 29-Jährige, die ihre zwei Elfmeter gegen Italien (2:1) und Russland (2:0) sicher verwandelte. Über die Abschlussschwäche ihrer Vorderleute sagt sie: „Gegen Dänemark bekommen wir nicht so viele Chancen, aber irgendwann wird es wieder klappen.“

Gutes Zureden als Aufbauprogramm? So verhält es sich vor allem bei Marozsan (77 Länderspiele). Noch läuft es bei der Taktgeberin nicht rund, sie war nach eigenem Bekunden zuletzt müde, die lange Saison mit Olympique Lyon, veredelt mit drei Titeln, mit Auszeichnungen zur besten Spielerin Frankreichs und jüngst zu Deutschlands Fußballerin des Jahres, hat Spuren hinterlassen. Jones stärkt der 25-Jährigen, die gegen Russland mit einem Strafstoß ihr erstes Mini-Erfolgserlebnis hatte, bedingungslos den Rücken. „Sie hat einen hohen Anspruch und will etwas Besonderes machen.“ Beim olympischen Fußballturnier in Rio gehörte die Technikerin zu denen, die in der Vorrunde nicht in Tritt kamen, dann entschied sie das Finale gegen Schweden (2:1) fast im Alleingang.

Die rauschende Party nach dem EM-Finale 2013 gegen Norwegen (1:0) hat auch Däbritz (45 Länderspiele) mitgemacht. Da war sie 18. Jetzt trägt sie mehr Verantwortung. Bislang sucht die Allrounderin vom FC Bayern nach der Rolle und Abstimmung im neuen System. Vielleicht würde ihr die Rückversetzung auf die Sechs helfen, dort hat sich indes Kristin Demann festgespielt. Auf der Halbposition in der Raute sind ihre Impulse an den Fingern einer Hand abzuzählen. Aber: Eine K.-o.-Runde ist für einige oft ein Neuanfang, mit der ein neuer Kreislauf beginnt. (fhel)