Längenfeld. Im Trainingslager der Profis werden die körperlichen Defizite der Nachwuchsspieler sichtbar. Aber gute Perspektiven für Behounek und Arp

Es rumst an der Seitenlinie. Finn Porath geht zu Boden. Eben noch hatte er den Ball. Dann kommt André Hahn herangerauscht, checkt seinen jungen Kollegen zur Seite. „Eine typische Szene“, sagt ein Beobachter auf der Tribüne des Sportzentrums Längenfeld. Es ist HSV-Nachwuchschef Bernhard Peters, der für drei Tage im Trainingslager der Profis im Ötztal zu Besuch ist. Als „typisch“ bezeichnet Peters das Zweikampfverhalten des HSV-Talents Porath. Jonas Behounek (19) verfolgt die Szene nur wenige Meter dahinter. Auch er zählt neben Porath (20) und Jann-Fiete Arp (17) zu den beim HSV ausgebildeten Nachwuchsspielern, die sich in Österreich bei Cheftrainer Markus Gisdol für höhere Aufgaben empfehlen können. So auch heute Abend im Testspiel in Imst gegen Sparta Rotterdam (18.30 Uhr)

Drei Talente, von denen sich der HSV in der Zukunft viel verspricht. Drei Talente, die eines vereint: die fehlende Wettkampfhärte. Porath gilt schon lange als große Hoffnung, Arp als Stürmer der Zukunft. Doch die besten Chancen, in der nächsten Saison regelmäßig bei den Profis zu spielen, hat Behounek. Seit einem Jahr ist der in Kaltenkirchen aufgewachsene Außenverteidiger im Training des Bundesligisten dabei. Nun soll Behounek eine feste Größte in Gisdols Kader werden. „Jonas hat es sich mit seiner Zähigkeit verdient, ganz nah und kontinuierlich an diesem Trainingsprozess dran zu sein“, sagt Nachwuchschef Peters. „Der Trainer schwärmt von seinen spielerischen Fähigkeiten. Er hat den Blick, um gute Entscheidungen in der Offensive zu treffen und die technischen Fähigkeiten, sehr präzise zu flanken. Das zeichnet ihn aus. Er weiß genau, wo er hin will und wo seine Arbeitsschwerpunkte noch liegen.“

Behounek sitzt nach dem Training in der Lobby des Teamhotels Aqua Dome, spricht erstmals ausführlich über seine Situation und seinen Förderer. „Mit Bernhard Peters bin ich immer wieder im Gespräch. Er sagt mir sehr deutlich, was ich verbessern muss. Vor allem im Bereich Mentalität“, erzählt Behounek im Abendblatt-Gespräch. Dass der noch etwas unscheinbar wirkende Verteidiger beim HSV einen hohen Stellenwert genießt, hat viel zu tun mit seiner Einstellung. „Ich bin ein Typ, der nie aufgibt. Ich will immer gewinnen. Als Kind war das noch viel extremer“, sagt Behounek und lacht. „Meine kleine Schwester weiß das sehr gut.“

Behounek kam über Kaltenkirchen und Eintracht Norderstedt in die U15 des HSV. Seitdem hat er fast durchgehend unter Daniel Petrowsky gespielt. Der heutige U-19-Trainer war es, der Behounek auf Anhieb vom offensiven Mittelfeldspieler zum Außenverteidiger umschulte. Weil es auf dieser Position auch beim HSV Vakanzen gibt, hat Behounek eine gute Perspektive. „Die Position ist in Deutschland vielleicht nicht die beliebteste. Gerade das macht die Tür für mich weiter auf.“

Behounek ist klar im Kopf und kann seine Stärken und Schwächen gut einschätzen. Speziell im Abwehrverhalten muss er sich noch verbessern. Sein Vorteil: Gisdols Spielphilosophie kennt Behounek aus der HSV-Jugend. „Wenn man die Grundidee verinnerlicht hat, ist der Übergang leichter. Aber das Spieltempo und die Härte bei den Profis ist mit dem Nachwuchs nicht zu vergleichen“, sagt Behounek.

Doch die körperliche Anpassung fällt ihm leichter als etwa Finn Porath, mit dem er im Aqua Dome auf einem Zimmer wohnt. Weil Porath immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen wurde, fehlt ihm Wettkampfpraxis. Deswegen denkt der Mittelfeldspieler über eine Ausleihe nach. „Finn braucht Wettkampfzeit, um an seiner mentalen und körperlichen Widerstandsfähigkeit zu arbeiten“, sagt Peters. „Er braucht Vertrauen, Zuwendung und einen klaren Plan für seinen weiteren Weg. Er hat alle spielerischen Fähigkeiten.“

Doch im Gegensatz zu Vasilije Janjicic (18) und Bakery Jatta (19), die vor einem Jahr zum HSV kamen und im Saisonfinale bei den Profis mehrfach Einsatzzeit erhielten, fehlt Porath die Robustheit. Dass Gisdol junge Spieler entwickeln kann, könnte seine Überlegungen einer Ausleihe beeinflussen. „Markus Gisdol hat mit dem Einsatz von Jatta und Janjicic in einer schwierigen Situation Mut bewiesen“, sagt Peters. „Wenn es uns jetzt gelingt, einen besseren Start hinzulegen, dann tun sich junge Spieler leichter, in einem Mannschaftsverbund temporär zum Einsatz zu kommen, der etwas lockerer und selbstbewusster spielen kann.“

Jatta hat das bereits getan. Der Gambier hat beim HSV eine Entwicklung hingelegt, die ihm in dieser Form wohl niemand zugetraut hätte. Auch Peters nicht. „Er hat enorm dazugelernt im Anlaufen und Kombinationsspiel. Sein Beispiel zeigt, dass Lernfortschritte nie linear ablaufen. Es gibt immer auch Stagnation. Seine mentale Stärke ist die Unbekümmertheit. Er spielt einfach sein Spiel.“

Das gilt auch für Fiete Arp. Der Juniorennationalspieler zeigt in Längenfeld seine Qualitäten. „Fiete hat große Kompetenzen im Torabschluss und im geschickten Laufverhalten“, sagt Peters. Arp soll zunächst in der U19 spielen und nach Möglichkeit zu Kurzeinsätzen bei den Profis kommen. Doch auch ihm fehlt noch körperliche Substanz. „Er ist als Stürmer schon sehr komplett, muss aber sicher noch an seiner Widerstandsfähigkeit in Zweikämpfen arbeiten“, sagt Peters. Dass es manchmal einige Jahre dauern kann, bis ein Talent die nötige Kraft für die Bundesliga entwickelt, zeigt das Beispiel An­dré Hahn. Der Neuzugang wurde mit 20 beim HSV aussortiert, weil er zu schmächtig war. Heute hat Hahn den Körper, mit dem er sich nicht nur im Training gegen Finn Porath durchsetzen kann.