Tilburg. Bundestrainerin Steffi Jones ist mit der Torausbeute der deutschen Frauen bei der EM unzufrieden

Das putzige Kleinod für sportliche Abwechslung liegt nicht weit entfernt vom deutschen Teamquartier. Hier sind auf einem frisch gemähten Rasen Fußballtore aufgestellt, auf einem Gummiplatz stehen Handballtore. Darüber hängen zwei Basketballkörbe, auf die Lina Magull, Hasret Kayikci und Co. am Wochenende muntere Zwei-gegen-zwei-Spielchen veranstaltet haben, um sich ein bisschen abzuwechseln. In dem Video, welches die DFB-Frauen öffentlich gemacht haben, sind Volltreffer aus allen Lagen verewigt. Es geht also doch. Problem nur: Der Ball muss bei den deutschen Fußballerinnen ins Tor, nicht in den Korb.

Das scheint bei der EM in den Niederlanden das Kardinalproblem. Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Russland am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) ist Steffi Jones bei allem Vertrauen in ihre Mannschaft an einem Punkt angelangt, an dem die Bundestrainerin unmissverständlich gesagt hat: „Es reicht aber nicht – Tore müssen wir schießen.“ Ein klarer Erfolg soll und muss nun helfen. Die schärfere Tonart war schon nach der „emotionalen Fahrt“ (Jones) beim 2:1-Arbeitssieg gegen Italien unüberhörbar. Die 44-Jährige rätselt über so wenig Selbstvertrauen. Warum löste die Überzahl für die Schlussphase bloß so viel Hektik aus?

„Wir müssen daraus lernen, sonst wird es schwer, unsere Ziele zu erreichen“, mahnte die Trainerin und verlangte: „Wir müssen souveräner spielen.“ Sonst könnte der Traum vom neunten EM-Titel schnell platzen. Etwa in einem ersten K.-o.-Duell gegen den Gastgeber Niederlande, den euphorisierten „Oranje Leeuwinnen“. Ein Remis reicht zum Weiterkommen, aber im Fernduell mit Schweden um den ersten Gruppenplatz entscheidet mutmaßlich das Torverhältnis. „Der Knoten muss platzen – es muss einfach mal knallen“, hat Mannschaftsführerin Dzsenifer Marozsan gefordert.

Die Problemzonen bei den DFB-Frauen sind offensichtlich: Es gibt keine Ausnahmestürmerin, wie sie beim EM-Titel 2009 noch die unvergleichliche Birgit Prinz und beim EM-Triumph 2013 Celia Sasic gaben. Es fehlen die Automatismen in der Grundordnung, die nicht über einen längeren Zeitraum mit einem Stammpersonal eingespielt werden konnte. Und mangelt es auch an prägenden Persönlichkeiten, die in Krisenzeiten vorangehen?

Energisch wehrte sich die in die Führungsrolle gedrängte Marozsan gegen jede Parallele von vor vier Jahren. In Schweden hatten nach einer holprigen Vorrunde die Meinungsmacher Nadine Angerer und Saskia Bartusiak auf der Urlaubsinsel Öland eine Aussprache angestoßen, um die alte und junge Garde zusammenzubringen. Ohne die damalige Trainerin Silvia Neid. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir sind eine ganz anders zusammengestellte Mannschaft“, entgegnete die Kapitänin und Fußballerin des Jahres, die derzeit auf dem Platz Probleme hat, ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden.

Auch die Torschützinnen aus dem Italien-Spiel stemmten sich gegen jede Grundsatzdebatte. „Jede von den Mädels will zu 100 Prozent. Daran scheitert es nicht“, erklärte Josephine Henning. Darüber soll beim gemeinsamen Abendessen im nahe gelegenen ’s-Hertogenbosch am Sonnabendabend Einigkeit bestanden haben. Oder wie es Abwehrkollegin Peter formulierte: „Das Glas ist für mich halb voll.“ Nicht halb leer. Die 29-Jährige erlebt bei ihrem siebten großen Turnier nach eigener Aussage „Déjà-vu-Gefühle“. Denn: „Wir werden von außen kritisiert, aber am Ende waren wir immer erfolgreich. Wir sind optimistisch, dass das so bleibt.“