Hamburg. Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft trifft am heutigen Freitagabend im zweiten Gruppenspiel auf Italien

Was Steffi Jones kann, kann Mandy Islacker schon lange: zu einem Gruppenspiel dieser Frauen-EM mehr als eine Fußball-Mannschaft an Verwandten und Freunden auf die Tribüne zu bringen. Genau wie die Bundestrainerin benötigt auch die Nationalstürmerin mehr als ein Dutzend Tickets. „Papa, Schwester, Nichte, Neffe – und mein Mann“, zählt die Mittelstürmerin auf, wer sich trotz des angekündigten Reiseverkehrs aus dem Ruhrpott Richtung Tilburg aufmacht, um das zweite Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Italien (20.45 Uhr/ARD und Eurosport) vor Ort zu verfolgen.

Die 28-Jährige gehört zu einer besonders fußballaffinen Familie: Großvater Franz gewann mit Rot-Weiss Essen in den 50er-Jahren die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal, Vater Frank („mein größter Kritiker“) machte in den 80er Jahren für den VfL Bochum drei Bundesligaspiele. Und Mandy? Ist mit 109 Bundesligatoren die treffsicherste Angreiferin im Aufgebot. Torschützenkönigin der Bundesliga in 2015/2016 (17 Tore) und 2016/2017 (19), obwohl der 1. FFC Frankfurt nicht mehr zu den Topclubs zählt.

Doch erst seitdem Alexandra Popp verletzt absagen musste und Svenja Huth mit Muskelfaserriss ausfällt, winkt ihr ein Startelfeinsatz. Auf einmal ist sie Hoffnungsträgerin statt Ergänzungsspieler. „Ob ich spiele, entscheidet die Trainerin.“ Artig, artig. Über ihren Reservistenstatus hätte sie sich nie beschwert. Dafür ist „Tinker Bell“ – die blonde Fee mit den großen Flügeln hat ihr Jones als Comic-Figur zugeteilt – nicht der Typ, weil zu zurückhaltend, ja auch bescheiden. Was nicht heißt, dass sie auf dem Platz nicht auch austeilen kann. Dass es gegen die wenig zimperlichen Italienerinnen nicklig, ja eklig werden kann, darauf ist sie eingestellt. „Man muss dann nur ruhig bleiben.“

Zur neuen Saison wechselt Islacker zum FC Bayern

Und auf seine Chance lauern. Sie war es ja, die nach der Einwechslung gegen Schweden die beiden besten Möglichkeiten vergab; jeweils nach Direktabnahmen, bei denen sie keine Zeit zum Nachdenken hatte. Was sie heute besser machen kann? „Dat Tor treffen!“

Manchmal rutscht ihr so ein Satz im besten Ruhrpott-Slang raus, der sie nicht unsympathischer macht. Ansonsten ist sie eher der öffentlichkeitsscheue Typ. Mittelstürmerin – aber bloß nicht im Mittelpunkt stehen. Vor zwei Jahren kam es ihr fast peinlich vor, als die bis dahin im Schatten von Celia Sasic stehende Angreiferin nach dem späten Siegtreffer im Finale der Women’s Champions League – Frankfurt schlug Paris 2:1 – im Rampenlicht stand.

Das Kapitel in der Mainmetropole beendete sie erst kürzlich ein Jahr vor Vertragsablauf – und hat stattdessen einen Drei-Jahres-Kontrakt beim FC Bayern unterzeichnet. Die 16-fache Nationalspielerin soll zu denjenigen gehört haben, die in Frankfurt unter dem fast nur Englisch sprechenden Trainer Matt Ross nicht glücklich waren. München war bereit, eine Ablöse im hohen fünfstelligen Bereich zu zahlen. „Ich wollte die neue Herausforderung. Und ich wollte das vor der EM geklärt haben.“ Mehr wollte (und sollte) die deutsche Nummer neun dazu nicht sagen.

Ihr Auftakt der Frauen-Bundesliga im Bayern-Dress bei der SGS Essen am 2. September wird übrigens etwas Besonderes, wenn sie im Stadion an der Hafenstraße die Torjägerkanone erhält. Es ist der Ort, an dem das Knie von Großvater Franz „Penny“ Islacker in Bronze ausgestellt ist, weil der Außenläufer trotz schwerer (Knie-)Verletzung 1955 das Meisterschaftsfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern im Alleingang entschied. Nun bekommt auch Mandy Islacker die Gelegenheit, glorreiche Familiengeschichte zu schreiben.