Hamburg. Immer mehr Spitzensportler zieht es nach Hamburg, der Kraftraum ist überfüllt, Internatsplätze fehlen – aber das Sporthotel steht leer

Ingrid Unkelbach ist derzeit viel auf Reisen. Tagungen, Diskussionen – die Reform des deutschen Leistungssports will besprochen und gestaltet werden. Der Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein (OSP), das zeichnet sich bereits ab, wird einer der Profiteure des beabsichtigten Konzentrationsprozesses. „Die Zahl unser Kaderathleten ist seit dem vergangenen Herbst sprunghaft gestiegen, von 247 auf jetzt 311. 31 davon gehören zum A-Kader, zur absoluten Elite. Das sind unsere Medaillenkandidaten für Tokio 2020“, sagt Unkelbach. Seit 17 Jahren leitet die ehemalige Leistungsschwimmerin die Hamburger OSP-Zentrale im Stadtteil Dulsberg.

Zur Jahrtausendwende waren hier drei Bundesstützpunkte angesiedelt, inzwischen sind es neun – einer davon ist ein paralympischer (Rollstuhlbasketball) –, alle auf insgesamt 3100 Quadratmetern Fläche. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 5 auf 35, darunter sind 15 Trainer und 6 Trainingswissenschaftler. Der Deutsche Schwimmverband schickte dieses Jahr bereits dreimal seine Besten zur Leistungsdiagnostik nach Hamburg. Die rund drei Millionen Euro teure Gegenstromanlage ist Hightech, Spitzentechnologie auf Weltniveau. „Unser Know-how ist international gefragt“, weiß Unkelbach. Die Folgen sind im Kraftraum, 595 Quadratmeter groß, und im angrenzenden Diagnoseraum (95 qm) immer öfter zu beobachten. Die Athleten drängen sich an den Geräten, die Luft ist stickig. „Wir platzen bald aus allen Nähten“, ahnt Unkelbach.

Der Olympiastützpunkt soll wachsen. Der Masterplan „Active City“ des Hamburger Senats sieht den Bau eines Landesleistungszentrums Handball/Judo vor. Der ist zwar seit 2007 beschlossen, der erste Spatenstich lässt aber auf sich warten. Im kommenden Jahr könnte es so weit sein, neun Millionen Euro stehen für den Komplex im Haushalt der Stadt bereit. Die zusätzliche Halle soll die bestehenden entlasten, auch der benachbarten Eliteschule des Sports die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung stellen. Direktor Björn Lengwenus will an seiner Bildungsstätte die vierte Sportstunde verbindlich einführen.

Olympiastützpunkte, 19 gibt es aktuell in Deutschland, sind Serviceeinrichtungen, Dienstleister. Sie bieten den Spitzenverbänden Trainingsmöglichkeiten, Fachpersonal, Physiotherapie, medizinische Versorgung, Laufbahnberatung, bezahlen die Trainer in den je­weiligen Schwerpunktsportarten. In Hamburg sind das Beachvolleyball, Hockey, Rudern und Schwimmen.

Der Etat betrug im vergangenen Jahr 1,847 Millionen Euro, in diesem Jahr sind es 81.000 Euro mehr. Den Hauptanteil zahlen der Bund und die Stadt Hamburg mit jeweils 781.338 Euro. Die Investitionen lohnen sich. 48 Sportler, die vom OSP Hamburg/Schleswig-Holstein betreut wurden, starteten bei den Sommerspielen 2016 in Rio. Die individuelle Bilanz: zwei Gold-, drei Silber-, zwei Bronzemedaillen, dazu dreimal Bronze für die Hockeydamen und -herren sowie die Handballer.

Als größte Herausforderung kristallisiert sich jetzt die Unterbringung auswärtiger Sportler heraus, für Trainingsmaßnahmen, vor allem aber für jene Talente, die schon als Schüler nach Dulsberg umziehen wollen. 25 Internatsplätze kann der OSP in der Nordschleswiger Straße für Beachvolley­baller, Ruderer, Schwimmer, Badminton- und Hockeyspieler anbieten, dazu zehn in Ratzeburg für Ruderer, zehn in Kiel für Segler. Auf acht freie Plätze hatten sich dieses Jahr 20 Sportler beworben. Handballer und Basketballer, beides keine Schwerpunktsportarten, müssen inzwischen ganz draußen bleiben.

Für Unkelbach steht die Zwischenlösung der Beherbergungsprobleme vor der (OSP-)Tür. Das angrenzende AquaSport Hotel schloss Betreiber Bäderland jedoch am 1. Januar. Das Haus steht seitdem leer, der eingezäunte Parkplatz davor ebenfalls. Im August 2013 hatte das städtische Unternehmen die Einrichtung bis Ende 2016 übernommen. „Wir wollten in dieser Zeit prüfen, wie der Betrieb sichergestellt werden kann“, sagt Bäderland-Sprecher Michael Dietel. Die Belegungszahlen entsprachen nicht annähernd den Erwartungen, das Defizit pendelte sich zwischen 30.000 und 50.000 Euro im Jahr ein. Zu viel für Bäderland, das Verluste außerhalb des Kerngeschäfts tunlichst vermeiden soll. Da die Stadt das OSP-Internat bereits mit rund 230.000 Euro im Jahr subventioniert, will auch sie den Hotelbetrieb nicht fortführen.

„Der OSP hat nachvollziehbare Bedarfe für seine künftige Entwicklung angemeldet. Bei allen wird finanzielle Hilfe der Stadt gefordert. Größere Projekte sind die Sanierung des Standortes und die Finanzierung der Trainer. Priorität haben für die Stadt Maßnahmen, die direkt auf den Sport einzahlen“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD). In OSP-Nähe gäbe es zudem solide Übernachtungsmöglichkeiten für Teilnehmer an Trainingslagern ab 65 Euro pro Doppelzimmer. Das Hotel soll nun neu vermietet werden. „Wichtig ist für uns dabei, dass der künftige Nutzer der geplanten Standortentwicklung nicht im Wege steht. Darauf achten wir“, sagt Bäderland-Sprecher Dietel.