’s-Hertogenbosch. Die Titelverteidigerinnen sind nach dem 0:0 gegen Schweden zum EM-Auftakt um Optimismus bemüht

Am Tag danach empfing die Region Noord-Brabant, die Provinz „beneden de rivieren (unterhalb der Flüsse), die deutschen Fußballerinnen wieder von ihrer schönsten Seite: angenehme Temperaturen, herrlicher Sonnenschein. Der ideale Rahmen, um die Beine baumeln zu lassen. Oder einfach einen Ausflug in die nahe gelegenen Naturgebiete zu unternehmen, worauf die „kleine Prinzessin“ schon den ganzen Morgen gewartet hatte. So nennt Dzsenifer Maro­zsán spaßeshalber ihren vierjährigen Rehpinscher, den die meiste Zeit des Jahres ihre Eltern János und Elisabeth betreuen. Für Vater, Mutter und Hund hat die Nationalmannschaftskapitänin dieser Tage persönlich vor den Toren der Großstadt ’s-Hertogenbosch eine Herberge ausgesucht, die das Mitführen von Haustieren erlaubt.

Von hier aus ist es keine Viertelstunde Autofahrt – oder landestypischer eine halbe Stunde mit dem Fahrrad – ins Stammquartier der DFB-Delegation in Sint-Michielsgestel, wo für die Ersatzspielerinnen nach dem 0:0 gegen Schweden zum EM-Auftakt am Dienstagmorgen Training und für die Stammkräfte Regeneration vor einem freien Nachmittag angesagt war.

Doch die Grenzen zwischen den beiden Gruppen, das bekräftigte Bundestrainerin Steffi Jones noch im Rat Verlegh Stadion von Breda, werden bald verschwimmen. „Es gibt keine A- und B-Mannschaft. Wir sind so variabel, dass wir wechseln können und werden.“ Und auch müssen: Stürmerin Svenja Huth erlitt einen leichten Muskelfaserriss und fällt mindestens bis zum Halbfinale aus. Damit sind einige Planspiele für die Doppelbesetzung im Angriff durch­einandergeraten, zumal Anja Mittag als älteste deutsche Akteurin den Nachweis schuldig blieb, in den Niederlanden zum gewinnbringenden Faktor zu werden. Der Verlust der in der Vorbereitung am Knie verletzten Angreiferin Alexandra Popp wiegt vielleicht noch schwerer.

Den zur besten Sendezeit von immerhin 6,08 Millionen Fernsehzuschauern in der ARD begutachteten Startschuss will Jones rasch abhaken. Sich selbst verordnete die 44-Jährige vor einem gemeinsamen Grillabend zwar noch ein Videostudium, aber mehr als zwei, drei Kritikpunkte – darunter hoffentlich das arg fehlerhafte Aufbauspiel der ersten Halbzeit – will sie nicht ansprechen. Dafür die positiven Dinge herausstreichen, was sie gleich nach Abpfiff im großen Kreis bereits unternahm: „Ich habe gesagt, dass wir bloß nicht enttäuscht sein sollen, nicht zweifeln dürfen. Das war eine gute zweite Halbzeit, darauf können wir aufbauen.“

Wird gegen Italien in Tilburg am Freitag (20.45 Uhr/ARD) der erste Dreier eingefahren, dann ginge es in der dritten Begegnung in Utrecht gegen die erfolgreich gestarteten Russinnen (25. Juli) um den Gruppensieg.

Dennoch ist der Verbesserungsbedarf offensichtlich. „Der letzte Pass von uns war nicht gut genug“, gab Marozsan zu. Erst als sich mit Mandy Islacker und Hasret Kayikci der zweite Sturm versuchte, fand die Taktgeberin Abnehmer. Die von Jones zur uneingeschränkten Anführerin ernannte Spielmacherin hatte für die Hemmungen, die so gar nicht zur Philosophie der Freiheit und Flexibilität passten, eine einfache Erklärung: „Zu viel Respekt und Nervosität.“ Die 25-Jährige fand, man habe immerhin „den Kampf angenommen und den Sieg verdient gehabt“. Und somit auch die Freizeit mit Freunden oder Familie. Wofür hat denn bitte ihre „kleine Prinzessin“ so brav im Körbchen gewartet? Fürs Küsschen von Frauchen.