Le Puy-en-Velay. Gleich sechs Fahrer haben zu Beginn der dritten Rennwoche noch Chancen auf den Sieg

Die Tour ist so wenig entschieden wie seit Jahren nicht. Zu Beginn der dritten Woche sind die besten sechs Fahrer nur durch etwas mehr als eine Minute getrennt. Selbst die echten Experten wollen keine Pro­gnosen mehr abgeben: „Alles, was man am Vormittag sagt, kann am Abend völlig überholt sein. Diese Tour ist total verrückt“, sagte Rolf Aldag, Ex-Profi und aktuell Performance Manager beim Rennstall Dimension Data.

Titelverteidiger Chris Froome muss in diesem Jahr kämpfen. „Diese Tour ist meine schwerste“, gab der Brite zu. Er sprach sogar von „Angst“, als ihm Ag2R auf der 15. Etappe davonfuhr. Ganz aus dem Rennen ist Froome trotz seiner Schwächen nicht. Für das Zeitfahren in Marseille ist er der Favorit. Eine Minute etwa kann er da auf seine Rivalen gut machen. Sein Team Sky ist immer noch das beste im Feld. Gute Aussichten für den vierten Toursieg.

Der zweitplatzierte Fabio Aru ist der beste Kletterer im Peloton. Er startete die Attacken, auf die Froome keine Antwort wusste. Er verlor allerdings Zeit bei der Klassikerankunft in Rodez. Sein Rumpfteam Astana positionierte ihn schlecht. Diese mangelnde Unterstützung ist sein größter Makel. „Er ist der beste Fabio Aru, den ich je sah“, geriet Sportdirektor Giuseppe Martinelli förmlich aus dem Häuschen. Weil Aru im Hochgebirge besser ist als Froome, hat auch er Chancen auf den Sieg.

Bardet hat Siegchancen, sollte er in den Alpen davonfahren

Der drittplatzierte Romain Bardet deutete schon 2016 seine Qualitäten an, als er auf der vorletzten Bergetappe auf der Abfahrt angriff und sich so auf Platz zwei schob. 2017 hat Bardet auch den schwierigen ersten Teil der Tour gut gemeistert. „Seine größte Stärke ist die dritte Woche. Er wird nicht müde“, sagt Teamchef Vincent Lavenu. Bardet hat in diesem Jahr eine tolle Truppe an seiner Seite. Prognose: Mit mehr als einer Minute Vorsprung nach den Alpen gewinnt er.

Rigoberto Uran ist der unerschütterliche unter den Rivalen. Der Kolumbianer hat schon viel erlebt. Als er 14 war, wurde sein Vater von Paramilitärs erschossen. Viele Jahre stand er in der zweiten Reihe, holte immerhin Silber bei Olympia und Podiumsplätze beim Giro. Das zweithöchste Treppchen dürfte auch jetzt das höchste der Gefühle sein.

Dan Martin fährt derzeit auf einer Welle der Euphorie. Die kurzen, knackigen Berge liegen dem Iren. Wie er sich im Hochgebirge macht, ist aber selbst für den sportlichen Leiter Brian Holm eine offene Frage. Sehr unwahrscheinlich, dass er die Tour gewinnt.

Mikel Landa ist der stärkste bei Team Sky. Der Spanier muss seine Kraft aber vornehmlich für Helferaufgaben einsetzen. Weil aber erst Froome einbrechen und er selbst dann noch genug Kraft für die Entscheidung haben muss, ist ein Sieger Landa wenig wahrscheinlich.