London . Der Supermittelgewichtler unterlag in London IBO-Weltmeister Chris Eubank jr. desaströs – Trainer Wegner: „Arthur hat kein Herz mehr“

Eigentlich wollte er gar nichts sagen, doch dann brauchte Ulli Wegner nur einen einzigen Satz, um das Dilemma in die passenden Worte zu kleiden. „Arthur hat einfach kein Herz mehr“, sagte der 75-Jährige, „und als Cheftrainer siehst du dann ziemlich blöd aus.“ Man müsste dieser Erklärung gar nicht mehr viel anfügen, denn treffender waren die vorangegangenen zwölf Runden, die hoffentlich den letzten großen Kampf des Arthur Abraham bildeten, nicht zusammenzufassen.

Allerdings wäre es der Karriere des Ex-Weltmeisters im Mittel- und Supermittelgewicht nicht angemessen, beließe man es bei dieser dürren Analyse. Und so galt es nach der einstimmigen Punktniederlage (108:120, 110:119, 110:119), die der gebürtige Armenier in der SSE-Arena in Wembley gegen IBO-Supermittelgewichtschampion Chris Eubank junior erlitt, ein paar weitere Dinge festzuhalten. Abraham fehlte nicht nur das Herz, um den über seiner pausenlos herabhängenden linken Führhand verwundbaren Briten ernsthaft zu attackieren. Er sah auch die zehn Jahre älter aus, die ihn von seinem 27 Jahre alten Kontrahenten trennen. Eubank bewegte sich geschmeidiger, er schlug schneller und mehr und war in allen Belangen der bessere Boxer.

Es spricht für Abraham, dass er immerhin das anerkannte. „Ich war zu fest und habe viel zu spät in den Kampf gefunden. Chris hat eine beeindruckende Leistung gezeigt und verdient gewonnen“, ließ der Berliner über seinen Promoter Kalle Sauerland mitteilen, da er selbst wegen einer ausstehenden Dopingkontrolle seine Kabine nicht verlassen durfte. Sein Bezwinger, der sich mit diesem Erfolg anstelle Abrahams für das prestigeträchtige World Boxing Super Series-Turnier (WBSS) qualifizierte, lobte immerhin die Nehmerfähigkeiten seines Gegners: „Ich wollte der Erste sein, der ihn ausknockt, aber jetzt weiß ich, warum er noch nie k. o. gegangen ist. Er kann sehr viel einstecken.“

„Arthur hat zu wenig riskiert und kann gegen Gegner dieses Kalibers nicht mehr mithalten“, urteilte Unternehmensgründer Wilfried Sauerland. Zwar hatte Abraham nicht so wehrlos agiert wie im April 2016, als sich seine Promoter nach der noch klareren Punktniederlage gegen den Mexikaner Gilberto Ramirez in Las Vegas fremdschämen mussten. Für jeden offensichtlich war der Klassenunterschied, der nur einen Schluss zulässt: das baldige Karriereende. Zwar brachten Wilfried und Kalle Sauerland ein internes Duell mit WBA-Champion Tyron Zeuge als letzte Chance in die Diskussion ein. Ob es für den Sauerlandstall jedoch sinnvoll wäre, den einzig verbliebenen Weltmeister in einen Kampf mit Abraham zu schicken, der angesichts der Börsenvorstellungen schwer zu finanzieren wäre, muss ebenso erörtert werden wie die Frage, womit sich Abraham eine weitere WM-Chance überhaupt verdient haben könnte.

„Wir werden uns zusammensetzen und über die Zukunft reden“, kündigte Kalle Sauerland an. Da Abraham bereits bekannt hatte, nicht mit einer Nieder­lage abtreten, sondern sich gebührend von seinen Fans verabschieden zu wollen, bliebe als Alternative zu Zeuge ein Abschiedskampf, vielleicht sogar gegen den ebenfalls gealterten Felix Sturm (38). Wegner sprach, obwohl er nichts sagen wollte, auch dazu Klartext. Er habe keine Lust mehr, wolle stattdessen wieder mit seinem früheren Schützling Marco Huck (32), der sich Anfang 2015 von Sauerland lossagte und im Cruisergewicht für die WBSS qualifiziert ist, arbeiten. Ob das mehr Anlass zur Freude bereitet, bliebe abzuwarten.