London.

Wer in der ersten Woche in Wimbledon die Matches von Ange­lique Kerber verfolgte und neben Tennisfans oder Medienvertretern aus anderen Ländern saß, der hörte eine Frage immer wieder: „Was ist bloß mit Kerber los?“ So zögerlich und mutlos spielte die Kielerin, dass niemand verstand, warum sie sich 34 Wochen lang an der Spitze der Weltrangliste hatte halten können.

Nun, am Montag im Achtelfinale gegen die Spanierin Garbine Muguruza (23) gab die 29-Jährige die Antwort darauf, und natürlich entbehrte es nicht einer gewissen Tragik, dass Kerber ihr bestes Spiel der Saison 2017 mit 6:4, 4:6 und 4:6 verlor. Als nach 2:20 Stunden Spielzeit eine Rückhand der deutschen Topspielerin von der Netzkante in ihre eigene Feldhälfte zurückprallte, war nicht nur das Ausscheiden besiegelt, sondern auch der Verlust der Ranglistenführung, die nach dem dritten Majorturnier des Jahres entweder die Rumänin Simona Halep oder Karolina Pliskova (Tschechien) übernehmen wird.

Und dennoch blieb dieses Gefühl, dass es aufwärts geht mit der deutschen Vorzeigefrau, die in einem überragenden Tennismatch nachwies, was an einem guten Tag alles in ihr steckt. „Natürlich bin ich enttäuscht, aber es war mein bestes Spiel seit langer Zeit, deshalb kann ich Wimbledon mit positiven Gefühlen verlassen“, sagte Kerber. Nachdem die Wimbledon-Finalistin von 2016 in ihren Matches gegen Irina Falconi (USA), Kirsten Flipkens (Belgien) und Shelby Rogers (USA) von ihrem Kampfgeist gelebt hatte, war sie gegen die Weltranglistenfünfte aggressiver. Dass sie gegen ihre Angstgegnerin spielen musste (vier Niederlagen in Folge), war nicht im Ansatz zu bemerken.

Umso trauriger aus Kerbers Sicht, dass sie ihr erstes Major-Viertelfinale in diesem Jahr erneut verpasste. Der positive Nebeneffekt könnte sein, dass der Sturz vom Thron auch den Druck von ihr nimmt, die Gejagte zu sein. „Die Fragerei nach der Nummer-eins-Position wird aufhören. Ob das gut oder schlecht ist, wird sich zeigen“, sagte Kerber, die nach ein paar Tagen Pause „mit neuer Motivation“ in die Vorbereitung auf die US-Hartplatzsaison startet. „Ich mag die Turniere dort, und ich spüre, dass die Leidenschaft wieder da ist.“