Hamburg. Beim 148. Deutschen Derby in Horn triumphiert Jockey Maxim Pecheur mit dem dreijährigen Hengst

Was für eine Dramaturgie, was für ein Finish, was für ein Triumph! Das 148. Deutsche Derby auf dem Hippodrom in Horn machte seinem Ruf als Krone des Turfs alle Ehre – auch wenn vor dem Eingang zehn Tierschützer protestierten. Mit Maxim Pecheur steuerte ein Jockey Windstoß aus dem Kölner Gestüt Röttgen zum Sieg, der erst gar nicht im Sattel des dunkelbraunen Hengstes sitzen sollte.

Der 26 Jahre alte Berufsrennreiter, ein gebürtiger Pforzheimer mit französischem Vater, konnte seine Fortune kaum fassen. Bei der Ehrenparade vor der Haupttribüne reckte er immer wieder beide Arme in die Höhe. Minutenlang applaudierten 12.500 Zuschauer für eine bravouröse Darbietung. Es war der mit Abstand größte Erfolg in seiner Karriere. „Die positive Aufregung vor dem Start war stimulierend“, sagte Pecheur nach Siegerehrung und Nationalhymne auf einem Podest vor dem Waagegebäude. Oben stand neben Sportsenator Andy Grote auch Jockeylegende Hein Bollow. Der 96-Jährige erlebte in seiner Heimatstadt sein 80. Derby.

„Im Training reite ich Windstoß jeden Tag und kenne seine Stärken“, sagte Pecheur. Den Großteil des 2400 Meter langen Wettstreits hielt er seinen dreijährigen Vollblüter im Hintertreffen. Eingangs des Schlussbogens lag das Gespann noch an drittletzter Stelle. Auf der Zielgeraden überrollten beide das Feld wie im Flug.

„Maxims Erfolg ist absolut verdient“, stellte der Zweitplatzierte Andrasch Starke klar. Auf Gestüt Ittlingens Enjoy Vijay war der Lokalmatador ein glanzvoller, würdiger Zweiter. Wer im Derby bereits siebenmal siegte, kann gönnen. Für Starkes Fairness gab es starken Beifall. Dritter wurde der von Daniele Porcu gerittene Rosenpurpur. Die Favoriten Colomano (Andreas Helfenbein) und Warring States (Eduardo Pedroza) enttäuschten als 13. und Letzter von 19 Startern auf ganzer Linie. Der gleichfalls hoch eingeschätzte Langtang war wegen einer Trainingsverletzung zurückgezogen worden.

Die Zocker freuten sich am Totalisator in der Siegwette über siebeneinhalbfache Rendite. Wer die Dreierwette korrekt angekreuzt hatte, erhielt für einen Euro Einsatz 1432 Euro ausgezahlt. Rosenpurpur machte die Quote fett. Apropos Geld: Für den Triumph bekam das Gestüt Röttgen, 1924 von Kölner Unternehmer Peter Paul Mülhens (Eau de Toilette 4711) gegründet, 390.000 der 650.000 Euro Preisgeld – plus Züchterprämie. Maxim Pecheur kassierte fünf Prozent (19.500 Euro). Nicht schlecht. Die Ehre indes ist unbezahlbar. Zuletzt hatte 1959 mit Uomo ein Galopper in den türkis-altgold-roten Röttgener Farben triumphiert.

Noch vor ein paar Tagen hätte Pecheur von diesem Ausgang nicht zu träumen gewagt. Trainer Markus Klug, der gleich sieben Starter im Rennen hatte und 2014 mit Sea The Moon erstmals das Blaue Band errang, wollte Pecheur auf dem krassen Außenseiter Sternkranz antreten lassen. Da sich für Windstoß kein Starjockey aus dem Ausland fand, griff Klug am Montag nach der Startplatzauslosung in der Spielbank Hamburg kurzentschlossen zum Smartphone: „Maxim, du reitest Windstoß.“ Die Aufregung bei Pecheur, der seinen Beruf nach dem Abitur im Saarland erlernte, war enorm. Mit Chuzpe und Geschick nutzte er diese Chance frei von der Bürde eines Topfavoriten. Er konnte nur gewinnen.

Nicht weniger spannend ist die Vorgeschichte von Windstoß, dessen Vater Shirocco sich das Derby 2004 gesichert hatte. Am 5. Juni 2017 in Hannover kam Windstoß nach einer Behinderung zu Fall. Sein Reiter Adrie de Vries verletzte sich und musste für Hamburg-Horn passen.Trainer Markus Klug ließ Windstoß keine Zeit für eine Psychokrise, sondern brachte ihn nur eine Woche später im Kölner Union-Rennen erneut an den Start. In dieser wichtigsten Derby-Vorprüfung belegte der Hengst hinter Colomano Platz zwei – mit Maxim Pecheur im Sattel. Rückblickend war diese ungewöhnliche Maßnahme Klugs Meistertat. Und: Welch Gunst des Schicksals, dass 2015 bei einer Auktion in Baden-Baden kein Käufer bereit war, für den Jährling Windstoß 12.000 Euro zu bezahlen. Jetzt ist er ein Vermögen wert.

Apropos Geld. Am Derbytag wurde ein Wettumsatz von 804.814 Euro verbucht. Im Vorjahr waren es mehr als eine Million Euro, allerdings bei einem Start mehr. Im Derby selbst wurden 264.274 Euro verwettet. Gründe für das Minus waren überwiegend miserables Wetter sowie technische Probleme des Kassensystems.

148. Deutsches Derby (650.000 Euro, 2400 m): 1. Gestüt Röttgens Windstoß (Trainer: Markus Klug/Jockey Maxim Pecheur),
2. Enjoy Vijay, 3. Rosenpurpur, 4. Shanjo,
5. Promise of Peace, 6. Monreal, 7. Parviz, 8. Kastano, 9. Amun, 10. Ming Jung, 11. Gepard, 12. Khan, 13. Colomano, 14. Sternkranz, 15. Oriental Khan, 16. Sargas, 17. Northsea Star, 18. Warring States. Richterspruch: sicher 1, ¾, 1, 2 ¼ Längen. Zeit: 2:41,52 Minuten. Quoten: Sieg: 75; Plätze: 28, 25, 55. Zweierwette: 476. Dreierwette: 14.329:10.