St. Petersburg. Russland hat den Testlauf ein Jahr vor den Titelkämpfen bestanden. Nur bei den Themen Doping und Videoschiedsrichter gibt es Kritik

Deutschlands Kapitän Julian Draxler (23) hat zum Abschied einen offenen Dankesbrief an Russland geschrieben. „Was wir erleben durften, hat uns begeistert“, heißt es darin, und so mancher in Draxlers eigenem Land wird sich bei der Lektüre wohl fragen, ob es da um dasselbe Land geht, das er abends immer in den Fernsehnachrichten sieht. Das mit Kriegen in der Ukraine und Syrien, das mit den festgenommenen Systemkritikern. Das Land, gegen das auch Deutschland Sanktionen verhängt hat.

Sport und Politik, Begegnung und Propaganda: In diesem Spannungsfeld bewegte sich wie etliche Großveranstaltungen der letzten Jahre auch dieser Confed Cup, und so widersprüchlich es klingen mag: Nur weil die Nachrichten stimmen, muss der Nationalspieler nicht danebenliegen. Die Alltagsebene ist immer etwas anderes, das Land zu groß, die Fremdsprachenkenntnisse der Bevölkerung meist zu gering und die Überwachungsmechanismen des Regimes zu diskret, um sich dem Besucher zu erschließen, zumal einem abgeschirmten Fußballer. Auch wenn Draxler die reibungslose Organisation lobte, hatte er zweifelsohne recht, und im Vergleich zu den von Kriminalitäts- und Anschlagsgefahr begleiteten Turnieren in Brasilien 2014 und Frankreich 2016 fühlte sich dieser Confed Cup nachgerade entspannt an. „Wenn so ein problematisches Turnier aussieht“, posaunte Fifa-Präsident Gianni Infantino am Sonnabend in Erinnerung an viele Bedenken, „dann möchte ich viele problematische Turniere haben.“

Man kann sich das zufriedene Grinsen vorstellen, das in diesem Moment vor irgendeinem Fernseher über das Gesicht von Wladimir Putin gehuscht sein muss. Wo er vor drei Jahren bei Olympia in Sotschi noch allgegenwärtig schien, machte sich der Präsident beim zweiten Akt der russischen Sportfestspiele lieber rar. Die Welt und sein Standing haben sich fundamental verändert seit 2014, als er am Schlusstag den Befehl zur Annexion der Krim gab, und so wusste der Stratege in ihm wohl: Diesmal dient das Event seinen Interessen desto besser, je unpolitischer es erscheint. Ein persönlicher Auftritt beim Eröffnungsspiel, das war’s.

Den PR-Triumph zu erklären, überließ er Infantino und dem Organisationschef und Vizepremier Witali Mutko. Beide betonten in ihren Abschlussstatements den logistischen Erfolg, in dem weiten Land ein kompaktes Turnier über die Bühne gebracht zu haben. Tote Arbeiter, Korruption bei den Stadionbauten – all das spielte hingegen keine Rolle. Nur beim Thema Doping und den neuen Vorwürfen gegen das russische WM-Team von 2014 legte sich Infantinos Stirn in Falten und schlug Mutkos Puls höher. „Soll ich hier einen russischen Tanz aufführen, damit diese Fragen mal aufhören?“, polterte er: „Der russische Sport gehört zu den führenden in der Welt, wir sollten dem System vertrauen.“

Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht der Funktionäre sicher hilfreich, dass es bei diesem Confed Cup auch noch etwas gab, das nichts mit Russland zu tun hatte: VAR – die Videoschiedsrichter. Treuherzig informierte Ex-Referee Pierluigi Collina, Leiter der Fifa-Schiedsrichterkommission, auf dem Stuhl neben Infantino von der SMS eines Turnierunparteiischen: „Ich genieße die Spiele jetzt viel mehr, weil ich weniger Druck verspüre.“ Allerdings soll es sich dabei nicht unbedingt um die Mehrheitsmeinung im Berufsstand handeln. Die lateinamerikanischen Schiedsrichter sollen sich derart fundamental gegen VAR ausgesprochen haben, dass sie über Nacht von einem Einsatz im Finale abgezogen wurden, berichtete die spanische Zeitung „As“.

Die endgültige Entscheidung über einen Einsatz bei der WM wird das für die Regeln zuständige Fifa-Board im März treffen. Man ahnt, wie sie ausfallen wird. Im selben Monat soll in Russland ein Präsident gewählt werden. Auch hier scheint das Ergebnis klar. Dieser Confed Cup, er war also nur der Anfang – außer für sich selbst. Da war er wohl das Ende. Angesichts der Veränderungen durch die WM im Winter (2022) und mit 48 Mannschaften (2026) gilt seine Zukunft als sehr fraglich.

Spiel um Platz 3 in Moskau: Portugal – Mexiko 2:1 n.V. (0:0, 1:1). Tore: 0:1 Neto (54., Eigentor), 1:1 Pepe (90.+1), 2:1 Adrien Silva (104., Handelfmeter).