Kasan. Deutsche Nationalmannschaft erkämpft im zweiten Spiel des Confed Cups ein 1:1 gegen das technisch starke Team aus Chile

Man konnte eine leichte Ahnung davon erhalten, warum Kasan in einer Umfrage zur lebenswertesten Stadt Russland gewählt wurde. Über den Ufern der Wolga spannte sich ein fantastischer Regenbogen. Das kreisförmige Band warf seine Lichter auf den Hochzeitspalast, ein riesiger Stahlkochtopf auf Betonbeinen. Zwischen schmucklosen Wohnhäusern tauchte schließlich die Kasan-Arena auf. Eine gewaltige Schüssel, die einer Seerose nachempfunden wurde, ausgestattet mit der weltgrößten Leuchtfassade. Die drei Millionen LEDs strahlten die Nachricht in den Abendhimmel: Deutschland gegen Chile. Die aufstrebenden, jungen Hochbegabten gegen die roten Krieger um Bayerns Arturo Vidal – das versprach, ein aufregendes Fußball-Spektakel zu werden.

Tatsächlich wurde es ein spannendes, unterhaltsames Spiel, das am Ende friedlich endete. 1:1 trennte sich das deutsche Team vom Turnierfavoriten bei diesem Confed Cup. Joachim Löw konnte sich zwar in seinem 149. Spiel als Bundestrainer nicht über einen Sieg freuen. Aber er durfte damit zufrieden sein, dass seine junge Mannschaft den abgezockten Chilenen ein Unentschieden abtrotzte.

Das hätte man anfangs allerdings nicht für möglich gehalten. Es fing mit einem fürchterlichen Blackout an. Skhodran Mustafi spielte einen geradezu lächerlichen Fehlpass in den Fuß seines Arsenal-Clubkollegen Alexis Sanchez. Anschließend kam er vor dem Doppelpass mit Arturo Vidal zu spät und senste den Chilenen um, ohne verhindern zu können, dass der Ball wieder bei der 1,69 Meter kleinen Tormaschine landete. Sanchez, der wegen seiner wendigen Bewegungen nur „das Eichhörnchen“ genannt wird, bedankte sich artig für das wunderbare Geschenk und murmelte den Ball mit seinem linken Fuß wie selbstverständlich aus sieben Metern ins deutsche Tor.

Es war ein herber Rückschlag bereits nach sechs Minuten. Und die Frage tauchte auf: sind die wilden, bis unter die Halskrause tätowierten Chilenen, tatsächlich eine Nummer zu groß für die braven deutschen Streber?

Der Fernschuss des Ex-Hoffenheimers Eduardo Vargas an die Unterkante des deutschen Tores (20.) schien diese These zu untermauern und alle Vorhersagen zu bestätigen: Chile ist taktisch zur Zeit eines der weltbesten Teams.

Aber als die ersten schrecklichen 20 Minuten überstanden waren, zeigten Löws Hochveranlagte, dass sie auch kernige Typen sein können. Sie wehrten sich mit sicherem Passspiel, souveränen Ballstafetten und überraschenden Ideen. Eine davon hatte Emre Can. In Minute 42 sah der Profi des FC Liverpool, dass Jonas Hector auf der linken Seite durchstartete. Can passte den Ball durch die Schnittstelle, der Kölner Hector flankte scharf und flach in den chilenischen Strafraum und der Gladbacher Lars Stindl erzielte in Torjägermanier den 1:1-Ausgleich.

Die Antwort des deutschen Teams hinterließ Eindruck beim zweimaligen Südamerika-Meister. Chiles goldene Generation hatte den Zugriff verloren und ließ sich vom technisch feinen Spiel des amtierenden Weltmeisters einschüchtern. Und wenn einmal einer der überfallartigen Angriffe auf das deutsche Tor zurollte, zeigten die scheinbar braven DFB-Bubis, dass auch sie wilde Kerle sein können.

Bundestrainer Joachim Löw tigerte in seiner Coaching-Zone aufgeregt hin und her. Er gab Anweisungen, fluchte, lobte, nahm auf der Bank wieder Platz, um im nächstbesten Moment wieder aufzuspringen.

Die Unterstützung schien seinen Jungs gut zu tun. Chiles Powerfußball war verpufft. Es schien so, als hätten sich die Südamerikaner in den ersten 20 Minuten derart an ihrem Fußball berauscht, dass ihnen nun die Luft zum Atmen fehlte. Das konnte der deutschen Mannschaft recht sein. Zwar kam auch sie nicht mehr gefährlich vor das Tor der Chilenen, aber dafür ließ sie hinten eben auch praktisch nichts mehr zu. Irgendwann begnügten sich beide mit dem Unentschieden. Schließlich bedeutet es, dass beiden Teams im abschließenden Gruppenspiel jeweils ein Unentschieden reicht, um wie erwartet ins Halbfinale zu kommen.

Deutschland: ter Stegen – Ginter, Mustafi, Süle – Kimmich, Rudy, Can, Hector – Goretzka, Draxler – Stindl.Chile: Herrera – Isla, Medel (71. Paulo Díaz), Jara, Beausejour – Marcelo Díaz – Aránguiz(90. Silva) – Hernández – Vidal – Vargas (82. Rodríguez), Sánchez.Schiedsrichter: Faghani (Iran); Tore: 0:1 Sánchez (6.), 1:1 Stindl (41.); Zuschauer: 38.222.