Hamburg. Nach der Kritik von Investor Kühne an der HSV-Führung wächst die Unruhe. Clubchef Bruchhagen ist bemüht, die Ruhe zu bewahren. Knickt der Aufsichtsrat ein?

Alles musste raus. Und die Abnehmer standen Schlange. Die Ware, die der HSV zu vergeben hatte, war heiß begehrt. Es war ein erfolgreicher Schlussverkauf im Volkspark. Bei Rabatten von bis zu 80 Prozent wurde der Club noch bis Sonntagabend alles los, was er loswerden wollte. Die Verantwortlichen zogen ein positives Fazit. Und auch die Schnäppchenjäger beim HSV waren glücklich.

Allzu gerne hätte Sportchef Jens Todt diese positive Wochenendbilanz gezogen. Doch der erfolgreiche Schlussverkauf galt nur für die Merchandising-Abteilung. Auch an diesem Montag, vier Wochen nach Ende der Bundesligasaison, kann der HSV noch keinen Verkauf vermelden. Dabei würde sich der Club allzu gerne von einigen Spielern trennen, die in der abgelaufenen Spielzeit mal wieder nur mit Ach und Krach den Absturz in die Zweite Liga verhindert hatten. Damit Todt gleichzeitig die erhofften Verstärkungen für die neue Saison verpflichten kann.

Doch bislang stockten die Transfertätigkeiten der Hamburger. Und die Unruhe nimmt zu. Spätestens seit diesem Wochenende. Seit sich HSV-Investor Klaus-Michael Kühne mal wieder zu Wort gemeldet hat. In einem kurzen Interview mit Sat.1 hatte sich der 80-Jährige Luft gemacht und seinen Unmut über die Einkaufspolitik ausgedrückt. „Es ist ein bisschen spät, der HSV muss sich sehr am Riemen reißen“, sagte Kühne und kritisierte die Zusammenarbeit mit den sportlichen Entscheidungsträgern. „Sie läuft ein bisschen langsam. Es fehlt so ein bisschen die Dynamik. Da versuche ich immer etwas zu ermahnen, tut mal was, bewegt euch mal ein bisschen schneller“, sagte Kühne.

In dieser Deutlichkeit hatte der Unternehmer den Dissens mit Clubchef Heribert Bruchhagen öffentlich bislang nicht artikuliert. Kühne erklärte erneut seine Bereitschaft, den HSV bei der Finanzierung von Neuzugängen zu unterstützen – wenn der Vorstand „das Konzept von Trainer Markus Gisdol voll akzeptiert.“ Eine klare Botschaft an Bruchhagen und den Aufsichtsrat, den auferlegten Sparkurs aufzuweichen.

Bruchhagen will sich den Weg nicht diktieren lassen

Die Antwort des Vorstandsvorsitzenden ließ am Wochenende nicht lange auf sich warten. „Es ist etwas ganz anderes, ob ich Journalist, Fan oder Förderer eines Clubs bin – oder ob ich in der Verantwortung stehe“, sagte Bruchhagen der „Hamburger Morgenpost“ und nahm das Kräftespiel auf. Ein Kräftespiel um die Machtfrage beim HSV. Auf der einen Seite Kühne, der Milliardär und Investor, ohne den beim HSV in den vergangenen Jahren finanziell gar nichts mehr ging. Der dem Club mit seiner Kapitalerhöhung auf 17 Prozent AG-Anteile zuletzt die Lizenz gerettet hat.

Auf der anderen Seite Bruchhagen, der Vorstandschef, der vor einem halben Jahr eingestellt wurde, um den HSV finanziell wieder zu konsolidieren und aus der Umklammerung von Kühne zu lösen. Zwei Interessenslagen, die auf­ein­anderprallen. Und ein Interesse, das Kühne und Bruchhagen vereint: dass der HSV rauskommt aus den Krisenjahren. „Wir wollen hier ausschließlich über Sport sprechen“, wie es Bruchhagen in seiner Vision formuliert hat.

Doch der prozentuale Anteil von Gesprächsthemen wie Dreierketten, Doppelspitzen oder Spielphilosophien lag in den vergangenen vier Wochen rund um den HSV irgendwo zwischen 1,5 und zwei Prozent. Zu 98 Prozent geht es um Politik, um Macht und seit diesem Wochenende auch um die Frage: Knickt der HSV jetzt ein? Am Freitag soll sich Kühne zu Gesprächen mit dem Aufsichtsrat getroffen haben.

Bruchhagen hat deutlich gemacht, dass er sich von Kühne und Trainer Gisdol nicht die Ausrichtung der Clubpolitik diktieren lassen will. Gleichzeitig muss er aufpassen, dass er den Investor nicht zu sehr verärgert. „Ich wünsche mir ein gewisses anderes Verhalten, darüber sind wir im Gespräch“, sagte Kühne. Will sich der HSV so verstärken, wie es sich Trainer Gisdol vorgestellt hat, ist er auf Kühnes Unterstützung weiterhin angewiesen. Doch Bruchhagen will auch verhindern, dass der Club künftig nur mit Kühnes Hilfe überlebensfähig ist. „Ich habe mittlerweile erkannt, dass Herr Kühne für uns unverzichtbar ist“, sagte Bruchhagen noch Mitte März im Abendblatt-Interview. Zu diesem Zeitpunkt wusste der 68-Jährige, dass der HSV die Lizenz für die neue Saison nicht ohne Kühnes Hilfe bekommt.

Trainer Gisdol pflegt einen engen Draht zu Kühne

Und jetzt? „Was Herrn Kühne und uns alle eint, ist doch der Wunsch, eine gute und schlagkräftige Mannschaft zu bekommen“, sagt Bruchhagen. Geschickt umging er bislang die Frage nach der weiteren Zusammenarbeit mit dem Geldgeber. Rund 20 Millionen Euro will Kühne dem HSV zur Verfügung stellen, um insbesondere die Transfers von Kyriakos Papadopoulus (Bayer Leverkusen) und André Hahn (Borussia Mönchengladbach) zu realisieren. Auch der ehemalige Gladbacher Havard Nordtveit (West Ham United) ist laut „Bild“ ein Wunschkandidat von Gisdol.

Kühne hat sich nun erneut klar auf die Seite des Trainers gestellt. Gisdol ist der einzige sportliche Entscheidungsträger des HSV, der von seiner Kritik verschont geblieben ist. „Beim Trainer bin ich überzeugt davon, dass er ein gutes Konzept hat. Er muss nur die volle Unterstützung finden. Ich glaube, das wird jetzt geschehen und das ist auch dringend notwendig“, sagte Kühne.

Gisdol pflegt einen engen Draht zum HSV-Investor und hat sich dadurch eine starke Position im Club geschaffen. Seine Wünsche an Neuzugängen, die Kühne finanzieren würde, sind dem Vorstand bekannt. Doch Sportchef Jens Todt, der die Transfers umsetzen soll, waren bislang die Hände gebunden. Das könnte sich in Kürze ändern. Bis sich der HSV mit Kühne einigt, hat der Manager angesichts des Sparkurses nur eine Möglichkeit: Er muss Schnäppchen finden. Und zwar möglichst schnell.