Sotschi. Muss der Bundestrainer Unruhe fürchten, wenn die deutsche B-Elf beim Confed Cup auftrumpft?

Lars Stindl hat gute Karten, beim Confed-Cup-Auftaktspiel der deutschen Nationalelf gegen Australien an diesem Montag (17 Uhr/ZDF) auf dem Rasen zu stehen. Der Mönchengladbacher ist Verbindungsmann zwischen Mittelfeld und Angriff, einer von der Spezies „Halbstürmer“, der die Gabe hat, sich unangenehmen Zweikämpfen mit schlauen Laufwegen zu entziehen und trotzdem torgefährlich zu sein. Das Unterfangen in Russland hat der 28-Jährige aber leider falsch verstanden.

„Jeder Spieler möchte einen guten Eindruck hinterlassen“, sagt Stindl auf die Frage nach dem internen Konkurrenzkampf in der von Weltmeistern ausgedünnten B-Nationalelf. „Aber insgesamt geht es ja erst einmal um ein erfolgreiches Turnier.“ Das Abschneiden bei diesem Kräftemessen könnte Bundestrainer Joachim Löw jedoch kaum weniger interessieren. Ihm geht es um das kommende Turnier, die WM 2018, für die er „drei oder vier, vielleicht sogar fünf“ Kandidaten casten will.

Als Spätberufener gilt Stindl nicht als erster Aspirant. Aber was passiert, wenn Stindl nun plötzlich mit seiner Mannschaft, verrückter Gedanke, den Titel der Probe-WM gewinnt? Wenn dieses zusammengewürfelte Team aus Gelegenheitsnationalspielern und Perspektivprofis groß auftrumpft? Bekommt Löw dann ein Problem, weil er viel mehr brauchbare Leute hat, als er 2018 mitnehmen kann?

Der 57-Jährige selbst würde entschieden behaupten: nein. Trainer mögen Konkurrenzsituationen, weil sie die Beine in Bewegung halten. Aber sie müssen sie auch fürchten, weil ihnen das Potenzial zu atmosphärischen Störungen in der Gruppe immanent ist. Löw weiß das aus eigener Anschauung. Bei der WM 2014 soll er sich auch auf Druck von Sami Khedira ab dem Viertelfinale dazu entschlossen haben, Philipp Lahm aus dem zentralen Mittelfeld (Khediras Revier) zurück auf die rechte Abwehrseite (nicht Khediras Revier) zu beordern, obwohl Lahm selbst das nicht wollte. Es soll etwas geknistert haben.

Khedira hat ein nicht zu unterschätzendes politisches Talent. Und nun stelle man sich mal vor, dass dem Platzhirschen einer wie Leon Goretzka den Rang ablaufen will. Der 22-Jährige ist im Grunde eine Khedira-Ausführung in Jung. Seinen Zug zum Tor, seine strategischen Qualitäten, die kann Löw im Erfolgsfall beim Confed Cup besichtigen. Der Schalker ist eine der spannendsten Personalien im B-Nationalteam. Khediras Position könnte ein starker Goretzka-Auftritt beim Confed Cup schwächen, und dem Wahl-Turiner wird das sicher nicht gefallen, wenn er sich bei der WM um seinen Platz zanken muss.

Löw hat zuletzt darauf verwiesen, dass es quasi eine Erneuerungspflicht für seine Elf bis zur WM gebe. Und er hat dafür das Beispiel der Spanier angeführt, die 2010 Weltmeister wurden, um 2014 mit fast derselben Mannschaft in der Vorrunde auszuscheiden. Was Löw vergisst: Spanien hatte vor dem Absturz eine Ära geprägt, von 2008 bis 2012 drei große Titel geholt, und das ohne einen radikalen Personalwandel. Man kann also auch erfolgreich sein, wenn man von außen wenig Neue hineinlässt.

Vielleicht regeln sich die Dinge am Ende aber auch ganz von allein. Deutschland könnte beim Confed Cup prächtig scheitern, Spieler könnten sich bis zur WM verletzen oder in einem Leistungstief verirren. Und dann gibt es natürlich auch noch die Möglichkeit, dass einer aus dem Halbraum der öffentlichen Wahrnehmung plötzlich dort auftaucht, wo ein sehr guter Stürmer sein muss: im Flieger nach Russland 2018. Lars Stindl vielleicht.

Deutschland: Leno - Süle, Mustafi, Rüdiger- Kimmich, Rudy, Goretzka, Hector – Draxler – Stindl, Wagner. Australien: Ryan - Ryan McGowan, Sainsbury, Degenek - Mooy, Milligan - Leckie, Rogic, Troisi, Smith - Juric.
Schiedsrichter: Mark Geiger (USA)