Hamburg. Ein Flüchtling kämpft für die erfolgreichen ETV-Fechter am Wochenende beim Deutschlandpokal in Mainz

„Ich habe zuerst an so etwas wie Samurai-Fechten gedacht“, erzählt Abdul Ghasar Saqizadah. Schwertkampf, harte Typen, Musketiere – klar, das schwingt alles mit in der Gedankenwelt Heranwachsender, auch in Afghanistan. Saqizadah, den alle beim Eimsbütteler TV natürlich nur Abdul nennen, steht in seinem schnieken weißen Fechtoutfit in der schweißig-engen Trainingshalle an der Bundesstraße und muss grinsen, wenn er von seinen Anfängen erzählt.

Waffen und Masken hängen beim ETV an der Wand, schäbige grüne Metallspinde bergen die Klamotten der Sportler. „Das ist hier für mich ein bisschen eine Ersatzfamilie, ein Zuhause“, sagt der 23 Jahre alte Degenspezialist. „Aber natürlich vermisse ich meine Mutter.“ Seit August 2015 ist er in Hamburg, drei Monate später schaute er beim ETV vorbei, einfach so: „Ich wollte wieder fechten.“ Und nun, an diesem Wochenende startet er mit dem Clubteam im Degen beim Deutschlandpokal in Mainz, der größten Fechtveranstaltung im Land. „Abdul ist ein sehr talentierter Degenfechter“, schwärmt Fechtmeister Paul Donaldson, „er ist eine große Bereicherung für unsere Abteilung.“

Die ist so erfolgreich wie noch nie. Erstmals schickt der ETV, bei dem rund 170 Sportler mit Degen, Säbel und Florett aktiv sind, vier Teams zum Deutschlandpokal-Finale, wo die jeweils besten acht Mannschaften aufeinandertreffen. Die ETV-Damen sind dabei in allen drei Waffengattungen vertreten. Insgesamt waren deutschlandweit 309 Teams zur ersten Runde angetreten. „Wir haben eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Fechterinnen und Fechtern am Start und hoffen auf sehr gute Platzierungen“, sagt der schottische Trainer Donaldson: „Auf jeden Fall sind alle sehr gut vorbereitet.“

Auch Abdul brennt darauf, sein Können bundesweit zu zeigen. In Kabul hat er den Sport als Schüler gelernt, erzählt er – nachdem das Samurai-Missverständnis geklärt war. Nur etwa 100 aktive Fechter gibt es in seinem Heimatland in vier Städten. Erst seit 2005 wird der Sport dort betrieben. Abdul war Mitglied der Nationalmannschaft. „Es war natürlich alles sehr einfach, die Bedingungen schwierig, und der Trainer war auch nicht so toll“, erzählt er. „Bei Paul habe ich sehr viel dazugelernt.“

Über die Balkanroute ist er nach Deutschland geflohen. Zu Fuß, im Bus, mit der Bahn. Taliban-Terroristen hätten ihn in der Heimat immer wieder unter Druck gesetzt, „Dinge zu tun, die ich nicht wollte.“ Abdul spricht mit leiser, weicher Stimme exzellentes Deutsch. Die Sprachprüfung nach B1 hat er bestanden. 600 Sprachstunden hat er bekommen, weitergehenden Unterricht aber gibt es nicht. Auch berufliche Förderung oder Ähnliches liegt komplett auf Eis, denn sein Asylantrag wurde wie bei vielen Afghanen abgelehnt.

Dagegen hat er nun mithilfe seiner Freunde beim ETV Klage eingereicht. Wie lange es bis zu einer Entscheidung über seine Zukunft dauert, steht in den Sternen. Diese Ungewissheit zehrt sicherlich, der Sport hilft da sehr. Abdul Ghasar Saqizadah hat in seinem Leben viel wichtigere Kämpfe zu bestehen als auf der Planche – aber am Wochenende ist jetzt erst einmal Deutschlandpokal. Und darauf freut er sich.