Hamburg. Der Club profitiert von der Ausschüttung des neuen TV-Vertrags nicht so stark wie erhofft. Nun soll Kühne wieder helfen

Es ist ein großer Sprung, den der HSV in diesem Sommer macht. Wenn man wollte, könnte man sogar von einem Quantensprung sprechen. Fast 40 Millionen Euro kassiert der Bundesligist zur kommenden Saison durch die Ausschüttung des neuen TV-Vertrags, den die Deutsche Fußball Liga vor einem Jahr ausgehandelt hatte. Rund zehn Millionen Euro mehr als im Vorjahr bekommen die Hamburger.

Doch die Sache hat einen Haken. Genauer gesagt 17 Haken. Denn nicht nur der HSV bekommt viel Geld. Die 17 anderen Bundesligisten bekommen es auch. Und zwar teilweise deutlich mehr als der HSV. Erstmals in der Geschichte der Fußball-Bundesliga werden mehr als eine Milliarde Euro (1,16) an TV-Geld an die 36 Clubs des Dachverbands pro Saison für den Verkauf ihrer nationalen Medienrechte ausgeschüttet. Für die Laufzeit von vier Jahren sind es insgesamt 4,64 Milliarden Euro.

Doch während insbesondere die Erstligisten die großen Gewinner der neuen TV-Geld-Verteilung sind, ist der HSV trotz des Klassenerhalts einer der Verlierer. Der Plan des Clubs im vergangenen Sommer sah vor, durch die Transferoffensive den Kader so zu verstärken, dass Platz zehn aus der Vorsaison wiederholt oder verbessert wird und so Vereine wie Werder Bremen, Eintracht Frankfurt oder FC Augsburg im TV-Ranking überholt werden. Es sollte der Beginn der wirtschaftlichen Sanierung werden. Doch der Plan ist gescheitert. Der HSV ist in der TV-Tabelle auf Platz 15 abgerutscht und einem großen finanziellen Schaden nur knapp entkommen. Nun befindet sich der HSV erneut in einer ähnlichen Situation wie vor einem Jahr. Und die Frage, die die Verantwortlichen umtreibt, lautet mal wieder: Risiko oder Vernunft? Klar ist bislang: Der HSV will sparen. Und er muss sparen. Das hat die DFL dem Club bei der Lizenzvergabe zur Bedingung gemacht. Und dafür hat der Aufsichtsrat im Dezember Heribert Bruchhagen zum Vorstandschef berufen. Klar ist aber auch: Trainer Markus Gisdol will die Mannschaft zur neuen Saison deutlich verändern. Und Investor Klaus-Michael Kühne hat erklärt, dabei eine gewichtige Rolle zu übernehmen. Doch intern herrscht noch Uneinigkeit, in welchem Maße der Milliardär investieren soll. „Zieht Kühne jetzt seine Kohle zurück?“, fragte die „Bild“ bereits in ihrer Mittwoch-Ausgabe.

Clubchef Bruchhagen ist bemüht, in diesem Spannungsfeld Ruhe auszustrahlen. „In den nächsten acht Wochen werde ich täglich erleben, dass die Geschlossenheit infrage gestellt wird“, sagt der 68-Jährige über die Politik, die hinter den Kulissen betrieben wird. „Sie können davon ausgehen, dass wir geschlossen sind“, sagt Bruchhagen.

Wie sich der HSV die wirtschaftliche Zukunft vorgestellt hatte, formulierte Finanzchef Frank Wettstein vor einem halben Jahr in seinem Bericht für das abgelaufene Geschäftsjahr. So würden wirtschaftliche Chancen zum einen durch ein „besseres sportliches Abschneiden und dadurch zeitversetzte höhere Erträge aus der Verwertung medialer Rechte“ bestehen. Zum anderen „insbesondere im Rahmen der Transfertätigkeit, sofern für abzugebende Spieler signifikante Ablösezahlungen erzielt werden könnten“, heißt es dazu im Chancenbericht. Zusätzlich hätte sich eine Chance ergeben können, wenn der „Verteilerschlüssel der Zentralvermarktung künftig auch nach Einschaltquoten oder Sendezeiten“ ausgerichtet werde.

Alle wirtschaftlichen Chancen wurden bislang verpasst. In seinem neuen Verteilerschlüssel hatte die DFL zwei neue Säulen aufgenommen, nicht aber die vom HSV erhoffte Bewertung der Markenstärke. Von der Säule Nachhaltigkeit, die das Abschneiden der Clubs in den vergangenen 20 Jahren bewertet, hätte der HSV vor allem bei einem Abstieg profitiert. Auch in der Säule Nachwuchs konnten die Hamburger nur wenig punkten. Entscheidend bleibt aber auch in der neuen Berechnung die Fünfjahreswertung, die 70 Prozent der TV-Geld-Verteilung ausmacht.

Wie groß die finanziellen Sprünge durch die medialen Erlöse ausfallen können, zeigt das Beispiel Hertha BSC. Die Berliner lagen nach der Saison 2014/15 in der TV-Tabelle noch drei Plätze hinter dem HSV. Nach zwei erfolgreichen Jahren (Siebter und Sechster) ist Hertha dem HSV bei den TV-Erlösen davongezogen. In der kommenden Saison erhält der Hauptstadtclub rund 15 Millionen Euro mehr als der HSV. Auch der 1. FC Köln hat die Hamburger überholt und kassiert fast zehn Millionen Euro mehr. Geld, das die Clubs fast ausschließlich in die Verstärkungen ihrer Kader investieren.

Hertha BSC hat bereits 11,5 Millionen Euro für die Stürmer Davie Selke (8,5/Leipzig) und Mat­thew Leckie (3,5/Ingolstadt) ausgegeben. Ungewohnt viel für Berliner Verhältnisse. Der HSV hat dagegen bislang nur Abgänge zu verzeichnen. Durch die auslaufenden Verträge von René Adler, Johan Djourou und Matthias Ostrzolek ist der Club dem Ziel, den Lizenzspieleretat von 56 auf 48 Millionen Euro zu senken, zwar schon sehr nahe gekommen. Will der HSV diese Zahl erreichen und gleichzeitig mit eigenen Mitteln investieren, ist er auf Angebote für die Topverdiener Pierre-Michel Lasogga, Lewis Holtby, Aaron Hunt oder Albin Ekdal angewiesen. Doch die sind nicht in Sicht.

Und so könnte sich etwa der Poker um Gisdols Wunschtransfer Kyriakos Papadopoulos bis in den August hineinziehen. Zum Leidwesen des Trainers. „Die Wirtschaftlichkeit sieht es vor, dass man auch im August noch etwas machen kann“, sagt Bruchhagen.

Die Chance, durch die TV-Erlöse einen anderen Weg zu gehen, hat der HSV verpasst. Eine Chance ist noch offen. Eine Chance namens Kühne.

HSV-Profi Gideon Jung wurde in den finalen DFB-Kader für die U-21-EM berufen. „Das ist eine unglaubliche Geschichte“, sagte Jung.