Hamburg. Die Hamburgerin erreichte bei den French Open als einzige Deutsche die dritte Runde – und kann jetzt Kerbers Spitzenplatz retten.

„Carina allein in Paris“, das wäre eine Überschrift, die dem aktuellen Geschehen bei den French Open der Tennisprofis angemessen wäre. Carina Witthöft möchte sie trotzdem nicht lesen, denn dass sie es als Einzige von 13 gestarteten deutschen Damen und Herren geschafft hat, in die dritte Runde des zweiten Grand-Slam-Turniers des Jahres vorzustoßen, macht sie eher traurig als stolz. „Für das deutsche Tennis ist es sehr schade, dass es hier nicht so gut gelaufen ist“, sagt die 22 Jahre alte Hamburgerin.

Für sie selbst dagegen ist es gar nicht so übel, mehr in den Mittelpunkt zu rücken, obwohl ihre Motivation davon keinen Schub erhalten habe: „Meine Motivation ist immer die gleiche, alles andere wäre fatal, schließlich gehe ich in jedes Match mit dem Ziel, es zu gewinnen“, sagt sie. Das sei auch an diesem Sonnabend so, wenngleich ihre Rivalin die Weltranglistendritte Karolina Pliskova (25) ist. Aufgrund starker Regenfälle wurde das Spiel inzwischen auf Sonntag verschoben.

Die Tschechin könnte Witthöfts Fedcupkollegin Angelique Kerber vom Thron stoßen, sollte sie das Finale erreichen, was dazu geführt hat, dass die Weltranglisten-73. schon gefragt wurde, ob ihr bewusst sei, Kerber den Platz an der Sonne retten zu können. „An solche Dinge denke ich wirklich nicht, ich konzentriere mich nur auf mein Spiel“, sagt sie. Und das gelingt ihr in diesen Tagen so gut, dass viele ihr bescheinigen, einen großen Schritt auf dem Weg vom Toptalent zur etablierten Tourspielerin gemacht zu haben.

Rittner traut ihr Top-20-Platzierung zu

Witthöft, deren Eltern Gaby und Kai in Jenfeld und Bramfeld Tennisschulen betreiben, hat vor allem einen mentalen Reifeprozess bemerkt. „Ich bin auf dem Platz jetzt sehr ruhig und gelassen, mich bringt so schnell nichts aus dem Konzept“, sagt sie. Das war am Donnerstag beim 6:4, 7:6 (7:5)-Erfolg gegen die Französin Pauline Parmentier zu sehen, als sie weder die lautstarke Unterstützung der Fans für ihre Kontrahentin noch eine Schwächephase im ersten Satz, wo sie eine 5:0-Führung fast verspielte, entnervten. „Wenn man solche Situationen übersteht, gibt das Selbstvertrauen“, sagt sie.

Die Nominierungen für den Fedcup seien wichtige Erfolgserlebnisse gewesen, vor allem die Gespräche mit Barbara Rittner hätten ihr geholfen, Orientierung zu finden. Die Bundestrainerin hat schon immer viel von Witthöfts sportlichen Qualitäten gehalten, „nun jedoch ist sie deutlich kritikfähiger. Sie bringt alles mit, um mittelfristig unter die Top 20 mit Tendenz zu noch weiter vorn zu kommen. Das muss ihr Ziel sein.“

Körperlich nicht bei 100 Prozent

Das ist es perspektivisch auch. Im Hier und Jetzt muss sich Witthöft, die in Frankreich von Coach Jacek Szygowski, aber nicht wie üblich von Freund und Eltern begleitet wird, zunächst im ersten Aufeinandertreffen mit Pliskova beweisen. Die Entzündung im verhärteten Oberschenkel ist verheilt, „gegen Pauline war ich erstmals schmerzfrei“, dennoch fühle sie sich körperlich nicht bei 100 Prozent Leistungsfähigkeit.

Der Fakt allerdings, ausgerechnet in Paris, wo sie bislang die schwächsten ihrer Grand-Slam-Auftritte hatte, erstmals die zweite Woche eines Majorturniers erreichen zu können, lässt sie alle Malaisen ausblenden. „Ich habe doch nichts zu verlieren“, sagt sie. Carina Witthöft wäre gern noch ein bisschen länger allein in Paris.