Hamburg. Der Kultclub wird weiter in der Adolf-Jäger-Kampfbahn spielen. Geplanter Etat für Liga vier: 500.000 Euro

Keinen Satz hat Altonas Trainer Berkan Algan in dieser Oberligasaison häufiger gesagt: „Wir haben das Spiel auf DVD und werden es in Ruhe analysieren.“ Nach dem 1:0 gegen Northeim in Celle, das dem Hamburger Kultclub den langersehnten Aufstieg in die Regionalliga Nord bescherte, ließ der Erfolgscoach ihn weg. Gleichwohl wird das Spiel einen Platz in der Ehrengalerie seines prallgefüllten DVD-Regals erhalten. Hemmungslose Freude war nach dem Abpfiff im Bismark-Stadion an der Nienburger Straße Trumpf. Die 350 Altonaer Anhänger stürmten jubelnd den Platz und feierten ausgelassen ihre Mannschaft.

Bei Trainer Algan flossen die Tränen bächeweise. Er herzte und knuffte jeden, der seinen Weg kreuzte. „Das letzte Jahr war pervers. Nun haben wir es gepackt“, erinnerte er sich schluchzend an das hochdramatische Scheitern in der Aufstiegsrunde 2016. Damals kam der Knock-out, das 1:2 bei Germania Egestorf-Langreder, in der 94. Spielminute nach einem fragwürdigen Handelfmeter zustande.

„Im letzten Jahr war das für uns alle richtig schlimm“, warf Altonas Kapitän und Spieler der Saison Nick Brisevac, der das Tor des Tages durch Pablo Kunter (15.) vorbereitet hatte, ebenfalls einen Blick zurück – und sogleich einen nach vorne: „Die nächste Tankstelle ist unsere!“ Und in der Tat hielt der Mannschaftsbus auf der Rückfahrt gleich an der ersten Zapfsäule, und das Team stattete sich für die Rückfahrt mit einem imposanten Alkoholvorrat aus, bevor es in Hamburg auch in Algans Bar Vivo in Bahrenfeld Station machte. Der Trainer bediente dabei seine Spieler als Barkeeper. Das passt zu Altona 93, der fußballerischen Frischzellenkur für Fußballromantiker, der der Kommerz der Bundesliga gewaltig gegen den Strich geht.

Acht Jahre lang musste der Club sportlich auf seine überregionale Bedeutung verzichten. 2009 stieg der AFC nach einer chaotischen Saison hoch verschuldet aus der Regionalliga Nord ab, kickte seitdem in der fünftklassigen Oberliga Hamburg. Einer der vielen Fehler, die Altona zuvor in der Viertklassigkeit beging, war der Verrat an der eigenen Heimat. Der Club spielte seinerzeit nicht an der traditionsreichen Adolf-Jäger-Kampfbahn (AJK), wo das Herz des Fußballs nicht nur auf dem berühmten „Zeckenhügel“ zehnmal lauter schlägt. Der Verein zog um ins Stadion des SC Victoria an der Hoheluft, zum Unmut seiner vielen Fans.

Ein solches Szenario droht diesmal nicht. Bereits im Mai 2016 beschied der Norddeutsche Fußball-Verband dem Verein die Regionalligatauglichkeit seines Stadions. Die AJK kann sich also auf Duelle wie gegen den VfB Lübeck, den HSV II, St. Pauli II, Eintracht Norderstedt oder den VfB Oldenburg freuen. Die Auflagen wurden über die Jahre gesenkt, sodass der Investitionsbedarf im Sommer nun bei 40.000 Euro liegen dürfte. Zäune für die Fantrennung sind nötig, ebenso eine Abgrenzung vom Spielfeld, dazu die Aufstellung zusätzlicher mobiler Toiletten. Ein Käfiggefühl soll nicht aufkommen, der Charme der Spielstätte erhalten bleiben.

Festgefahren sind hingegen die Verhandlungen um ein neues Stadion. Weder die politischen Entscheidungsträger noch Altona 93 verkündeten zuletzt Neuigkeiten. Die AJK verkaufte der Club 2007 an den Altonaer Spar- und Bauverein (Altoba) und Behrendt Wohnungsbau für 11,25 Millionen Euro. Der Kaufvertrag tritt aber erst in Kraft, wenn Altona 93 sich mit dem Bezirk auf eine Fläche für den Bau eines neuen Stadions einigt. Dies bleibt Zukunftsmusik, die Realität heißt Regionalliga Nord. Die erste Frage wird lauten: Mit welchen finanziellen Mitteln kann Altona 93 planen? „Wir werden die Fehler von vor knapp zehn Jahren nicht wiederholen und kein Harakiri betreiben“, sagt Präsident Dirk Barthel. Schätzungsweise eine halbe Million Euro stehen zur Verfügung.

Nicht zu unterschätzen ist die Rolle von Christian Perlwitz im Hintergrund. Wie Altonas Präsident Barthel ist er in einem familieneigenen Armarturenbetrieb tätig. Im Sommer 2015 gewann Altona 93 die Firma für das Sponsoring, da Perlwitz sich beim SV Lurup nicht mehr gut behandelt fühlte. „Wir haben uns geschäftlich immer gut verstanden. Sportlich ist es eine tolle Geschichte, dass die Firma Perlwitz ihr Herz von Lurup nach Altona übertragen hat“, sagt Barthel. Der neue Partner entlastet den Macher Barthel, sorgt für mehr finanzielle Mittel. „Aber man darf nicht vergessen, dass wir weitere Werbepartner und einiges an Zuschauereinnahmen haben“, sagt Barthel.

850 Fans passierten in dieser Oberligasaison im Schnitt die Stadiontore. Schon 1000 Karten hat Altona für das letzte Aufstiegsrundenspiel am Sonnabend (18 Uhr, AJK) gegen Eutin verkauft. Beide Mannschaften sind bereits aufgestiegen – und die Party soll ein Vorgeschmack auf weitere Festtage sein. „Es wird viel lockerer als sonst. Es ist kein Druck da. Wir wollen gemeinsam mit unseren Fans so richtig feiern“, freut sich Barthel. Die Videoaufnahmen der großen Party an der AJK werden sicher reißenden Absatz finden – und einen weiteren Ehrenplatz in Trainer Algans DVD-Galerie erhalten.