München. Absprache mit Schiedsrichter sollte weitere Eskalation verhindern. Zehn verletzte Polizisten, DFB ermittelt. Jahn-Torhüter ganz cool.

Die Verantwortlichen der Münchner Polizei haben am Dienstagabend offenbar zu einer Fortsetzung des unterbrochenen Relegationsspiels zwischen 1860 München und Jahn Regensburg (0:2) geraten. Nach SID-Informationen gab es eine Absprache zwischen den Behörden und Schiedsrichter Daniel Siebert (Berlin), das Spiel möglichst nicht abzubrechen, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Dies bestätigte indirekt auch ‎Lutz Michael Fröhlich, Schiedsrichter-Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), auf SID-Anfrage: "Wichtig bei einer solchen Entscheidung ist die enge Kooperation mit den Sicherheitsverantwortlichen und dem Veranstalter. Im Sinne einer deeskalierenden Strategie war eine Fortsetzung des Spiels (3,76 Millionen Zuschauer in der ARD/ 18,6 Prozent Marktanteil) nachvollziehbar. Ein Abbruch des Spiels hätte die Situation noch verschlimmern können."

DFB-Kontrollausschuss ermittelt

Sogenannte Anhänger der Löwen hatten in der 81. Minute damit begonnen, Stangen, Sitzschalen und andere Gegenstände in den vor ihnen liegenden Strafraum der Regensburger zu werfen. Siebert unterbrach das Spiel daraufhin, Polizisten und Ordner bauten sich vor der Nordtribüne auf. Nach einer 14-minütigen Unterbrechung wurde das Spiel fortgesetzt und auch nicht abgebrochen, als weitere Wurfgegenstände auf den Platz flogen. Der DFB-Kontrollausschuss nahm am Mittwoch die Ermittlungen auf.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verurteilte die Ausschreitungen in der Zwischenzeit scharf. Die Aktionen „sogenannter Löwen-Fans“ seien völlig indiskutabel, sagte Herrmann am Mittwoch im Landtags-Innenausschuss. Er forderte den DFB auf, mindestens lang anhaltende Stadionverbote auszusprechen. Wer sich so verhalte, wer Spieler und Polizisten mit Gegenständen bewerfe, habe in einem Stadion nichts verloren.

Jahn-Keeper wollte weitermachen

Regensburgs Torhüter Philipp Pentke im Gespräch mit Schiedsrichter Daniel Siebert
Regensburgs Torhüter Philipp Pentke im Gespräch mit Schiedsrichter Daniel Siebert © dpa

Der Regensburger Torhüter Philipp Pentke berichtete nach dem Spiel, er habe mit dem Schiedsrichter vereinbart, dass es weitergehe, so lange er nicht getroffen werde. Pentke räumte in den verbleibenden Minuten mehrfach Stangen, Sitzschalen und andere Gegenstände aus seinem direkt vor der Münchner Fankurve liegenden Strafraum.

"Ich hatte mit dem Schiri die klare Absprache: Solange ich nicht getroffen werde, soll ich dafür sorgen, dass alles wieder vom Platz wegkommt“, berichtete Pentke.

Zehn verletzte Polizisten

Der 32-Jährige äußerte sich hinterher erstaunlich cool. "Ich habe gewusst, wenn ein Raunen durch das Stadion geht, dann kommt wieder eine Sitzschale“, antwortete er auf die Anmerkung, dass er die Wurfgeschosse mit dem Rücken zu den Fans ja gar nicht sehen konnte.

Pentke wollte unbedingt, dass die Partie regulär beendet werden konnte. Zum Schiedsrichter habe er während der Unterbrechung gesagt: „Mach unbedingt weiter! Die Polizei steht ja da, die können etwas aushalten mit ihren Rüstungen.“ Zehn leicht verletzte Polizisten wurden nach dem Schlusspfiff gezählt. Die Beamten seien von diversen Wurfgeschossen in der Arena getroffen worden, hieß es in einer Mitteilung der Polizei. Auch der unversehrte Pentke verurteilte die Randale scharf: „Das ist natürlich ein Unding.“

Herrlich empfindet "Demut und Dankbarkeit"

Am Mittwochabend dürfen sich Pentke und seine Teamkollegen in Regensburg noch einmal ausgiebig von ihren Anhängern feiern lassen. Schauplatz der Feierlichkeiten wird wie nach den letzten Aufstiegen der Haidplatz sein, teilte der Verein mit. Beim Sieg in der Münchner Allianz Arena waren nach Vereinsangaben über 5000 Jahn-Fans dabei.

Heiko Herrlich nach dem Aufstieg
Heiko Herrlich nach dem Aufstieg © Imago/Eibner

Regensburgs Trainer Heiko Herrlich hatte unmittelbar nach dem Aufstieg von einem „sehr emotionalen Moment“ gesprochen. Der von den Fans als Vater des Erfolgs gefeierte Ex-Nationalspieler, der seit anderthalb Jahren in Regensburg als Trainer arbeitet, blieb in der Euphorie um ihn herum jedoch geerdet. „Ich empfinde Demut und Dankbarkeit, dass ich ein Teil sein darf von Jahn Regensburg“, sagte der 45-Jährige, der als Spieler vor exakt 20 Jahren mit Borussia Dortmund ebenfalls in München die Champions League gewinnen konnte.

Ayre begründet Rücktritt mit RIchtungsstreit

Bei 1860 hat derweil Ian Ayre für seinen überraschenden Ausstieg als Geschäftsführer vereinsinterne Dissonanzen angeführt. "Unglücklicherweise" habe er in den nur acht Wochen seiner Arbeit für die Löwen eine Situation vorgefunden, in der die Anteilseigner „weder in einem gemeinsamen Interesse noch einer vereinbarten Vision für den Verein“ zusammengearbeitet hätten, äußerte der 54-jährige Engländer in einem Statement für die Zeitung „Liverpool Echo“.

Ian Ayre
Ian Ayre © Imago/Sven Simon

Ayre war bis Februar für den Premier-League-Club FC Liverpool, bei dem Jürgen Klopp Trainer ist, tätig. 1860-Investor Hasan Ismaik konnte ihn nach München locken. Die Uneinigkeit zwischen Ismaik und dem Verein in einer wichtigen Planungsphase habe es ihm unmöglich gemacht, in seiner Funktion weiterzumachen, äußerte Ayre.

Rücktritt noch vor dem Rückspiel

Er hatte am Dienstag bereits vor dem Relegationsrückspiel seine Position als Geschäftsführer der TSV München von 1860 GmbH & Co KGaA zur Verfügung gestellt.

Das große Investment von Ismaik, der 60 Prozent der Anteile hält, könne nicht zum Erfolg führen, solange sich nicht alle Parteien in Respekt füreinander zu gemeinsamen Zielen vereinigen, glaubt Ayre. „Derzeit ist das nicht der Fall“, äußerte der Ex-Geschäftsführer.