Hamburg. Vor der Europacupteilnahme droht dem deutschen Meister eine schwierige Titelverteidigung, da sieben Topkämpfer in der Liga ausfallen

Das leichte Zittern des Mobiltelefons in seiner Hand unterstreicht die emotionale Aufwallung, die Slavko Tekic noch immer erfasst, wenn er die Bilder aus dem vergangenen Herbst sieht. „Das war einfach geil“, sagt der 46 Jahre alte Cheftrainer des Hamburger Judo-Teams (HJT), während auf dem kleinen Bildschirm das Video der Finalkämpfe um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft läuft. In der Wandsbeker Sporthalle hatten die Hamburger Titelverteidiger München-Großhadern mit 7:6 niedergekämpft und den Titel erstmals nach Hamburg geholt.

Sieben Monate später hält die Gegenwart für den einstigen jugoslawischen Meister im Mittelgewicht weniger erfreuliche Themen bereit. Mit dem Start in die Saison 2017 kann Tekic zwar zufrieden sein, mit 11:3-Siegen gegen Bottrop und in Witten übernahm der Meister wieder die Tabellenführung in der Gruppe Nord. Dennoch befürchtet Teammanager Thomas Schynol, dass das Saisonziel, den Titel erfolgreich zu verteidigen, verpasst werden könnte.

Hintergrund dieser Sorgen: Da Ende August in Budapest die WM ansteht, befinden sich die deutschen Kaderathleten in diversen Vorbereitungsmaßnahmen und sind für Bundesligakämpfe nicht abkömmlich. Dem HJT könnte deshalb drohen, in den verbleibenden Vorrundenduellen am Sonnabend (17 Uhr, Sporthalle Wandsbek) gegen Spremberg, am 17. Juni gegen Holle und am 1. Juli in Potsdam auf seine sieben deutschen Spitzenkämpfer Igor Wandtke, Anthony Zingg (beide bis 73 Kilo), Dominic Ressel, Alexander Wieczerzak (beide 81 kg), David Tekic (90 kg), Dimitri Peters (100 kg) und André Breitbarth (+100 kg) verzichten zu müssen.

„Wir brauchen noch einen Sieg, um mindestens Rang vier im Norden und damit die Play-offs zu erreichen. Ohne unsere sieben besten deutschen Kämpfer wird das hart“, sagt Schynol, der auf ein Entgegenkommen des Verbandes hofft: „Wenigstens für einen Kampftag wollen wir unsere Topathleten frei bekommen.“ 43 Kämpfer hat das HJT gemeldet, 23 davon sind Ausländer. Ein Kampftag besteht aus 14 Kämpfen in sieben Gewichtsklassen, zehn davon müssen, so will es die freiwillige Selbstbeschränkung der zwölf Bundesligisten, von Deutschen bestritten werden. „Das verdeutlicht, warum der Ausfall von sieben Kaderathleten schwer wiegt“, sagt Sönke Schillig, beim HJT für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Schillig arbeitet ehrenamtlich wie Schynol und Präsident Prof. Rainer Ganschow. 2004 wurde das HJT als Zusammenschluss aller 70 Hamburger Judovereine mit dem Ziel gegründet, mit den Platzhirschen aus dem Süden (allen voran Abensberg) mithalten zu können. „Dass wir diese Arbeit mit dem Meistertitel krönen konnten, war die Bestätigung dafür, dass die ganzen Mühen nicht umsonst waren“, sagt Tekic.

Da ein Meistertitel in einer Randsportart wie Judo außer Ruhm und Neid nichts einbringt, können die Athleten angesichts eines niedrigen fünfstelligen Etats auch in diesem Jahr nicht entlohnt werden. „Das Pfund, mit dem wir wuchern, ist unser Cheftrainer und der Zusammenhalt im Team“, sagt Schynol. Der Kader blieb daher nicht nur zusammen, sondern konnte mit Peters und Breitbarth um zwei Topkämpfer aufgewertet werden. „Natürlich wollen wir wieder Meister werden“, sagt Schynol. Das Viertelfinale mit Hin- und Rückkampf findet nach der WM im September statt, die Endrunde Ende Oktober. Dafür stünden alle Stars zur Verfügung.

Slavko Tekic hat aber noch ein anderes Ziel. Er möchte unbedingt bei der Europacup-Endrunde Ende November eine Medaille nach Hamburg holen. „Dass wir uns erstmals in der Geschichte des Hamburger Judos mit der internationalen Spitze messen können, ist für meine Jungs und mich das Highlight der Saison“, sagt er. Einen Platz unter den besten drei traue er seinem Kader in jedem Fall zu, „aber am liebsten wollen wir auch in Europa an die Spitze“. Wenn das gelingt, wird das Video vom Finaltriumph dem Coach neue emotionale Höhenflüge ermöglichen.