Rom. Hamburger Tennisprofi gewinnt in Rom sein erstes Mastersturnier. Im Finale besiegt er Novak Djokovic klar in zwei Sätzen.

Als der Vorhandball von Novak Djokovic kurz hinter der Grundlinie aufschlug, der Linienrichter mit gestrecktem linken Arm „Aus“ anzeigte, da huschte ein Lächeln über Alexander Zverevs Gesicht. Er reckte beide Arme kurz nach oben, beeilte sich, schnell ans Netz zu kommen, um die Glückwünsche seines großen Gegners entgegenzunehmen, der ihn dort ungewohnt lange umarmte und ihm Worte der Anerkennung („Großartig gespielt! Gratulation!“) ins Ohr flüsterte.

Spiel, Satz und Sieg! Der 20 Jahre alte Hamburger hat beim Mastersturnier in Rom den bisher größten Erfolg seiner rasanten Karriere gefeiert. Dank des Turniergewinns steigt Zverev als erster Deutscher seit Tommy Haas im September 2007 in die Top Ten der Weltrangliste auf. Am heutigen Montag wird er an Position zehn notiert. Im Endspiel hatte er den Weltranglistenzweiten aus Serbien in 81 Minuten mit 6:4, 6:3 bezwungen und den langjährigen Branchenprimus phasenweise wie einen Lehrling aussehen lassen.

Alexander Zverev gewann in Rom seinen vierten Einzeltitel auf der Herrentour. Für den Sieg kassierte er 820.035 US-Dollar Getty
Alexander Zverev gewann in Rom seinen vierten Einzeltitel auf der Herrentour. Für den Sieg kassierte er 820.035 US-Dollar Getty © Getty Images | Michael Steele

„Ich werde mich immer an diesen ganz speziellen Erfolg erinnern“, sagte Zverev ehrfürchtig. Fast schien es so, als habe dieser Sieg dem sonst so Wortgewandten die Sprache verschlagen. „Ich weiß selber nicht so recht, was ich sagen soll“, meinte er später: „Es war eines der besten Matches, die ich jemals gespielt habe, und das ausgerechnet im Finale eines Mastersturniers. Hoffentlich kann ich nächste Woche in Paris genauso gut weitermachen.“ Allerdings habe er sich auch von Anfang an Chancen ausgerechnet: „Wenn man nicht an sich selbst glaubt, kann man so ein Match auch nicht gewinnen.“

Djokovic holt Agassi ins Boot

Genau diese Qualität schätzt Michael Stich an dem Youngster, den er in dessen Jugendjahren als Mentor begleitete. „Sascha glaubt immer an seine Stärke, er hat die nötige Siegermentalität. Hätte er das Finale verloren, wäre er unzufrieden gewesen, obwohl viele schon den Finaleinzug als Erfolg gesehen hätten. Er denkt anders, das macht ihn stark“, sagte der 48-Jährige, der Zverev als Turnierdirektor Ende Juli am Rothenbaum empfangen darf.

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Zverev ist der jüngste Masterssieger seit Djokovic 2007, der als 19-Jähriger in Miami triumphierte. Letzter Deutscher in einen Mastersendspiel war Nicolas Kiefer, der 2008 in Toronto Rafael Nadal (Spanien) unterlag. Die beiden Endspielgegner zollten sich anschließend größten Respekt. „Wenn ich irgendwann auch nur ansatzweise auf eine Karriere wie die von Novak zurückblicken kann, wäre ich sehr, sehr glücklich“, sagte Zverev und wünschte dem Unterlegenen viel Glück für die anstehenden French Open: „Er ist nach wie vor einer der großen Favoriten in Paris.“

Djokovic (30) wiederum wollte sich nicht mit eigenen Schwächen rausreden. Den Paukenschlag hob sich der „Djoker“ für die Medienrunde auf: In Paris wird der frühere US-Weltranglistenerste Andre Agassi (47), Ehemann Steffi Grafs, sein Coach. „Wir haben in den vergangenen beiden Wochen mehrmals telefoniert und uns dann darauf geeinigt, in Paris zusammenzuarbeiten“, sagte Djokovic: „Dann werden wir sehen, wohin uns das führt.“

Stich: Zverevs Erfolge sind außergewöhnlich

Im Finale von Rom hätte Djokovic, der sich Ende 2016 von seinem Coach Boris Becker getrennt hatte, die Ratschläge von Agassi vermutlich gebrauchen können, denn Zverev erwischte mit dem Break zum 1:0 einen perfekten Start, spielte das Match fortan souverän herunter. Nie ließ er Djokovic in die Nähe eines Breaks kommen, entnervte und entzauberte ihn unter anderem mit seinem effektiven zweiten Aufschlag. Zudem war Zverev läuferisch überlegen, stand fast immer perfekt zum Ball, offenbarte nicht den Hauch einer Schwäche. Im ersten Satz reichte Zverev das Break zum 1:0, im zweiten nahm er Djokovic zum 2:1 und 6:3 gleich zweimal den Aufschlag ab.

„Ich schaue nicht auf Statistiken wie die, wer als jüngster Spieler einen Masterstitel geholt hat oder solche Sachen. Ich versuche, Match für Match zu spielen und mich zu entwickeln“, sagte Zverev. Er hatte im Halbfinale beim 6:4, 6:7, 6:1 gegen den US-Amerikaner John Isner zwischenzeitlich erheblich mehr Mühe als gegen Djokovic, der den Österreicher Dominic Thiem in knapp einer Stunde 6:1, 6:0 überrollt hatte.

Stich ist überzeugt davon, dass der erste Masterstitel dem sowieso schon großen Selbstbewusstsein Zverevs einen weiteren Schub verleihen wird. „Er hat in den vergangenen Monaten nichts signifikant verändert. Er ist einfach stabiler geworden, hat durch seine Erfolge an Sicherheit und Erfahrung gewonnen. Körperlich ist weiter Luft nach oben, aber was er zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere erreicht hat, ist außergewöhnlich.“