Hamburg. Beim VfL Wolfsburg wird vor dem Relegationsspiel gegen Eintracht Braunschweig zunehmend die Mentalitätsfrage gestellt

Vielleicht sollte es der VfL Wolfsburg mal mit den zwei breitschultrigen Ordnern aus dem Hamburger Volksparkstadion versuchen. Hätten diese beiden Männer in der Schlussphase auf dem Rasen gestanden und nicht erst Dienst getan, als der VfL-Aufsichtsratsboss und VW-Vorstand Francisco Javier Garcia Sanz nach dem 1:2-Nackenschlag beim HSV vor drängelnden Journalisten beschützt werden musste, der Werksclub wäre vermutlich um die Saisonverlängerung herumgekommen.

So aber mündete zahlenmäßige Unterzahl und körperliche Unterlegenheit in der Relegation, als Linksverteidiger Yannick Gerhardt in der 88. Minute gegen Luca Waldschmidt retten wollte, was nicht mehr zu retten war. Der gebürtige Madrilene Sanz wirkte persönlich getroffen – ist ja auch schlimm, wenn die Fußball-Tochter dieselbe Krise durchleidet wie der Konzern wegen des Abgasskandals. Ginge im 20. Jahr der Bundesliga-Zugehörigkeit die Aufenthaltsgenehmigung im Oberhaus verloren, wäre der Worst Case komplett.

Noch ist die Rettung möglich: In zwei emotional aufgeladenen Nachbarschaftsduellen gegen Eintracht Braunschweig, auf die sich der VfL von heute bis Mittwoch in einem Trainingslager im niederländischen De Lutte vorbereitet. Fast jeder außerhalb der Autostadt dürfte dabei zum deutschen Meister von 1967 halten, dessen Hauptsponsor VW-Tochter Seat ist.

„Es spielt keine Rolle, wie der Gegner heißt. Die Enttäuschung sitzt tief, aber wir müssen voller Konzentration die Relegation angehen“, forderte Sportdirektor Olaf Rebbe und versprach sogleich: „Wir werden erfolgreich sein.“ Trotzige Behauptungen dieser Art hat der Manager-Novize schon einige angestellt, ohne dass danach Taten folgten. Fehlende Wehrhaftigkeit ist dabei das Kardinalproblem, das Mittelstürmer Mario Gomez anprangerte: „Wenn wir das Herz mehr in die Hand nehmen und einfach Fußball spielen, dann musst du in der zweiten Halbzeit drei oder vier Tore machen. Jetzt haben wir bekommen, was wir verdienen.“ Der Nationalspieler quittierte ansonsten kopfschüttelnd ein Versagen, das sinnbildlich für so manche Selbstüberschätzung steht.

Der Sturz auf den Relegationsrang ist die Strafe, weil Abwehrmechanismen nicht funktionierten. Nun muss jene Mannschaft in die „Extrarunde“ (Gomez), die am wenigsten auf Abstiegskampf gepolt ist. Warum die Berufsfußballer in Grün wieder in der Schlussphase in eine Passivität verfielen wie ein VW-Angestellter, der in der letzten halben Stunde der Nachtschicht nur noch den Feierabend herbeisehnt, konnte niemand erklären. Rebbe wollte die Mentalitätsfrage, die seit Langem die Debatten am Mittellandkanal beherrscht, nicht stellen. „Erste Halbzeit war die Mentalität in Ordnung.“

Trainer Andries Jonker verstieg sich gar zur These, sein Team sei eines der besten der Liga, wenn man Ordnung und Kampfgeist verbände. „Es ist unglaublich, dass wir auf Platz 16 stehen.“ Dabei blendete der Niederländer aus, dass er mit seiner Besetzung der rechten Seite für die Schlussphase mit den Offensivkräften Vieirinha und Victor Osimhen die Rohrkrepierer eingewechselt hatte, die die Flanke von Filip Kostic vor dem 1:2 nicht verhinderten.

Entsprechende Fragen solle man dem Trainer stellen, erklärte Rebbe zu Einwänden, auch Jonker trage mit unglücklichen Entscheidungen Mitschuld am Niedergang. Sie fehlen offenbar nicht nur auf dem Platz, die kernigen Kerle, die die Gefahr erkennen.