Hamburg. Einem Dreijahresvertrag konnte der Kapitän des FC St. Pauli nicht widerstehen. Sicherheit geht vor

Manchmal sind diese freudschen Fehlleistungen eben doch entlarvend. Wie am Sonntag, als Sören Gonther eine Vergangenheitsform benutzte, als er zum FC St. Pauli befragt wurde: „Ich bin stolz, Teil und Kapitän dieser Mannschaft gewesen zu sein.“ Am Donnerstag bestätigte der Kiezclub nun nur noch wenig überraschend den Abgang des 30 Jahre alten Abwehrspielers zum Ligakontrahenten Dynamo Dresden. „Wir bedauern Sörens Entscheidung, respektieren sie aber“, sagte Sportchef Andreas Rettig.

Einige Male hatte er mit Gonther zusammengesessen, trotz gegenseitiger Wertschätzung aber kamen beide Seiten nicht zusammen. Knackpunkt war offensichtlich die angebotene Laufzeit des neuen Vertrags. „Drei bis vier Jahre auf höchstem Niveau traue ich mir noch zu“, sagte Gonther noch in der vergangenen Woche, als er bereits einräumte, dass es für den FC St. Pauli „Nebenbuhler“ gäbe.

In Dresden unterschrieb er nun Arbeitspapiere mit einer Laufzeit von drei Jahren, die für alle drei Profiligen gelten. „Als technisch und taktisch gut ausgebildeter Innenverteidiger wird Sören unsere Defensive verstärken. Wir freuen uns, dass wir ihn für unseren Weg begeistern konnten“, teilte Dresdens Sportchef Ralf Minge mit. „Ich fühle mich in Hamburg sehr wohl, und der FC St. Pauli war immer mein erster Ansprechpartner“, hatte Gon­ther auch stets gesagt. „Aber ich muss auch an meine Familie und die Zukunft denken.“ Und drei Jahre Sicherheit sind eben drei Jahre Sicherheit.

Gonther war vor fünf Jahren vom SC Paderborn ans Millerntor gewechselt und hat bislang 93 Spiele für die „Boys in brown“ bestritten. Seit 2014 war der eloquente Abwehrspieler Kapitän des Teams. „In den vergangenen fünf Jahren ist er auf und neben dem Platz vorangegangen und war ein wichtiger Führungsspieler bei uns“, lobte Rettig. „Er hat sich auch jetzt in dem ganzen Prozess absolut vorbildlich verhalten.“

Schon vor einem Jahr wollte Gon­ther den Absprung wagen, als ihm der Karlsruher SC einen bestens dotierten, langfristigen Vertrag angeboten hatte. Der FC St. Pauli verweigerte aber die Freigabe. Abgehakt. Trotzdem hat sich Gonther reingehängt und eine gute Saison gespielt. In der Hinrunde fehlte er längere Zeit mit einer Knieverletzung – das war die Phase, als der FC St. Pauli tief in den Abstiegsstrudel geriet. „Ich fühle mich super und bin gut drauf“, sagte er. „Und ich habe noch Ziele.“

Die Entscheidung ausgerechnet für Dresden überrascht bei einem langjährigen St.-Pauli-Spieler. Besonders angesichts der verstörenden Bilder vom vergangenen Wochenende aus Karlsruhe, wo knapp 1000 Dynamo-Anhänger in Militär-Tarnhemden trommelnd wie eine Besatzerarmee durch die Stadt zogen, Pyro abbrannten und „Krieg dem DFB“ erklärten. Dynamo hat seit Jahren ein Fanproblem, auch mit einem politischen Hintergrund, der den Werten des FC St. Pauli völlig entgegensteht. Aber Gonther ist Berufsfußballer und kein Politiker.

„Spiele in Dresden waren immer etwas Besonderes“, wird Gonther nach der Vertragsunterschrift auf der Website der Sachsen zitiert. „Dynamo hat als Aufsteiger eine beeindruckende Runde gespielt, und ich möchte dazu beitragen, dass wir nächste Saison daran gemeinsam anknüpfen.“ Als Fünfter steht Dynamo derzeit immerhin vier Plätze vor St. Pauli.

Den neunten Rang wollen die Hamburger im letzten Saisonspiel am Sonntag (15.30 Uhr) beim VfL Bochum verbessern. Sportlich geht es für den FC St. Pauli zwar nur noch um die „Goldene Ananas“, die Frage ist aber: Wie golden ist sie denn, die Südfrucht? Etwas über eine Million Euro Zusatzeinnahmen sind noch drin, wenn sie in Bochum gewinnen und die Konkurrenz entsprechend mitspielt. Möglich ist dies durch die Ausschüttung der Fernsehgelder durch die DFL für die dann abgelaufene Saison. Insgesamt werden 142 Millionen Euro auf die Zweitligisten verteilt, deutlich weniger als die 568 Millionen, die die Vereine im Oberhaus einstreichen, aber immerhin. St. Pauli würde davon 10,143 Millionen kassieren. Stand heute. Es könnten aber noch 11,4 Millionen Euro werden.

Und Sören Gonther wird dabei mit vollem Engagement mithelfen. Weil das seine Art ist. „Wir bedanken uns bei ihm und wünschen ihm für die neue Herausforderung alles Gute“, erklärte Andreas Rettig: „Am Millerntor ist er immer ein gern gesehener Gast.“