Hamburg . Löw hat den Ex-HSV-Profi für den Confed-Cup nominiert. Doch Kerem Demirbay hatte sich zuvor für die Türkei entschieden.

Als der Anruf von Bundestrainer Joachim Löw kam, konnte Kerem Demirbay sein Glück kaum fassen. Vor allem aber musste der frühere HSV-Profi plötzlich selbst ein paar Telefonate führen. Vor seiner ersten Nominierung für die deutsche A-Nationalmannschaft und den Confed-Cup hatte der Edeltechniker der TSG 1899 Hoffenheim nämlich offensichtlich erklärt, für die Türkei, das Heimatland seiner Eltern, spielen zu wollen – das zumindest verbreitete der türkische Verband TFF am Vormittag.

„Meine Familie kommt aus der Türkei, und ich fühle mich türkisch“, steht in dem Schreiben, das Demirbays Unterschrift trägt und an den Weltverband Fifa adressiert ist. Das Datum des Schreibens: 15. Mai 2017 – also zwei Tage vor seiner Nominierung für die deutsche Nationalelf. Weiter steht in Demirbays Fifa-Brief: „Deshalb will ich statt für die deutsche künftig für die türkische Nationalmannschaft spielen. Ich verstehe die Konsequenzen dieses Wechsels und weiß, dass er dann endgültig ist.“

Jogi Löw zufrieden

Der türkische Nationaltrainer Fatih Terim schien davon auszugehen, dass Demirbay im WM-Qualifikationsspiel im Kosovo (11. Juni) auflaufen werde, schließlich hatte der 23-Jährige bisher zwölf Länderspiele für die türkischen Junioren (U 19, U 20, U 21) bestritten. Stattdessen reist der Mittelfeldmann nun nach Kopenhagen, um gegen Dänemark (6. Juni) für Deutschland zu debütieren. Vier Tage später will er in der WM-Qualifikation in Nürnberg gegen San Marino den DFB-Dress tragen, ehe der Confed-Cup in Russland (17. Juni bis 2. Juli) beginnt. „Er hätte auch für die Türkei antreten können“, gab Bundestrainer Löw zu: „Ich bin froh, dass er sich im letzten Moment für uns entschieden hat.“

Der frühere Hamburger selbst äußerte sich zunächst nicht zu der Verwirrung, wohl aber zur Nominierung für den Confed-Cup. „Für mich ist klar, dass ich der Einladung folge und für mich ein Traum in Erfüllung geht“, teilte Demirbay, der im vergangenen Sommer für nur 1,7 Millionen Euro vom HSV nach Hoffenheim wechselte, im Internet mit: „Ich habe mich entschieden, für Deutschland zu spielen, da ich hier geboren wurde und aufgewachsen bin und mich auch mit der deutschen Nationalmannschaft identifiziere.“

Für die Nationalmannschaft – die deutsche, wohlgemerkt – nominiert zu werden sei „außergewöhnlich“, sagte der in Herten geborene Deutschtürke, der in der laufenden Saison zu den Leistungsträgern der Kraichgauer gehört, bisher sechs Tore schoss, mehr als jeder HSVer.

Rainer Calmund über den Demirbay-Transfer:

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Rechtliche Möglichkeit prüfen

Deutschland? Die Türkei? Als die Verwirrung im Laufe des Tages immer größer wurde, sprang Spielerberater Tobias Sander seinem Schützling, der inzwischen lediglich einen deutschen Pass besitzt, zur Seite. Zu dem vom türkischen Verband veröffentlichten Schreiben von Demirbay an die Fifa, in dem er sich zu seinem großen Wunsch, für die Türkei zu spielen, bekannte, sagte Sander: „Dieses Schreiben diente ausschließlich zum Zwecke der Prüfung, ob es überhaupt eine rechtliche Möglichkeit gibt, für die Türkei zu spielen, da eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht mehr möglich ist.“

Diese Prüfung habe der türkische Verband übernehmen wollen. Die konnten sich die Türken nach dem ereignisreichen Mittwoch dann aber sparen. Es dauerte wiederum ein paar Minuten, ehe sich auch der TFF ein aller Voraussicht nach letztes Mal zur Causa Demirbay äußerte. In einer knappen Pressemitteilung sprach der angesäuerte Verband von einer „Last-Minute-Entscheidung“ des Hoffenheim-Profis, die man respektiere. „Wir wünschen ihm viel Erfolg“, hieß es am Ende.

Diesen erhofft sich mit Gideon Jung auch ein aktueller HSV-Profi. Der Abwehrallrounder wurde für den vorläufigen Kader der U-21-Nationalmannschaft für die EM in Polen (16. bis 30. Juni) nominiert. Jungs Eltern kommen übrigens aus Ghana, was Jungs Freude über die Nominierung aber nicht geschmälert haben soll.