Hamburg. FC St. Pauli Der frühere Sportchef Thomas Meggle spricht über seine Freistellung und die Zukunft des Clubs

Der FC St. Pauli war sein Leben. Als Spieler, Trainer (Nachwuchs und Profis) und Geschäftsführer Sport arbeitete Thomas Meggle (42) zwischen 1997 und 2016 mit Unterbrechungen über 15 Jahre für den Verein. Am 1. November kam das Aus. Seitdem schwieg Meggle. Nun haben sich beide Parteien über die Auflösung des unbefristet laufenden Vertrags geeinigt.

Herr Meggle, mit wie viel Abstand haben Sie den Abstiegskampf Ihres Ex-Clubs verfolgt?

Thomas Meggle: Selbstverständlich habe ich mitgefiebert. Von der Mannschaft war ich zu hundert Prozent überzeugt, sowohl was die Qualität betrifft als auch den Charakter. Auf einen Stadionbesuch habe ich verzichtet. Viele Leute hätten mir Fragen gestellt. Ich wollte aber Ruhe einkehren lassen und auch die Trennung verarbeiten. Ganz ehrlich: Die Freistellung kam für mich damals sehr überraschend. Nach so vielen Jahren bei St. Pauli war es ein Einschnitt in meinem Leben.

Wie erklären Sie sich die Entscheidung des Clubs heute?

Mit den Mechanismen des Geschäfts. Im Fußball muss es einen Schuldigen geben, es musste einer geopfert werden. Das war in dem Moment ich, worüber ich sehr enttäuscht war. Bis in den Oktober hinein wurde mir immer mitgeteilt, dass ich einen sehr guten Job machen würde. Innerhalb von drei Wochen hat sich dann die Stimmung komplett gedreht.

St. Pauli stand damals mit sechs Punkten auf Platz 18. Wie analysieren Sie rückblickend den kapitalen Fehlstart in die Saison?

Wir hatten einige verletzte und gesperrte Spieler. Über die Medien habe ich im Winter gelesen, dass der Fitnesszustand auch nicht auf dem Level war, wie er zu Beginn der Saison sein sollte. Außerdem wurde – anders als in der Rückrunde – nie ein Gerüst gefunden. Buchtmann beispielsweise musste auf vier Positionen spielen.

Wie man jetzt sieht, erreichten einige Spieler in der Hinrunde nicht ihre Leistungsgrenze ...

... was auch Gründe hatte. Die Frage ist, ob ich dafür die Verantwortung trage. Jedenfalls musste ich den Kopf hinhalten.

Wie zerrüttet war Ihr Verhältnis zu Lienen und Rettig?

Von meiner Seite war es überhaupt nicht zerrüttet. Die Entscheidungen über Transfers fielen beispielsweise auf der Ebene Trainer, Trainerteam und Scoutung. Der kaufmännische Geschäftsführer und Präsident Oke Göttlich waren über jeden Schritt involviert. Ich habe sie explizit gebeten einzugreifen, wenn etwas in die komplett falsche Richtung laufen sollte.

Glauben Sie rückblickend, dass Kollege Rettig einfach scharf auf Ihren Job war?

Das weiß ich nicht.

Wie bewerten Sie rückblickend die Kaderplanung des Clubs?

Im vergangenen Sommer ist es uns gelungen, viele wichtige Verträge zu verlängern wie die von Heerwagen, Sobiech, Ziereis, Himmelmann und Buchtmann. Die Königstransfers mit Bouhaddouz und Sahin haben ebenfalls gesessen. Insgesamt ist alles auch eine Frage des Budgets. Sie dürfen nicht vergessen, dass nicht alle Transfererlöse (Halstenberg, Rzatkowski, Budimir erbrachten sechs Millionen Euro, die Red.) reinvestiert wurden. Das Ziel, das ich mitgetragen habe, war, eine Mannschaft mit Perspektive aufzubauen, die zwischen Platz sieben und zehn einlaufen könnte. Das war die Maßgabe.

Welche Zukunft prophezeien Sie dem FC St. Pauli?

Strukturell ist der Verein sehr gut aufgestellt, innerhalb des Kaders laufen wenig Verträge aus. Es bedarf sicher einiger Justierungen im Team.

Und wie planen Sie Ihre weitere Karriere? Eher im Management?

Die Position ist nicht entscheidend, sondern die Konstellation, in der gearbeitet wird, sowie die Rollenverteilung. Mir hat es immer Spaß bereitet, Mannschaften zu strukturieren, ihnen eine Spielidee zu verpassen. Genauso spannend war es, im Verein eine Struktur aufzubauen. Da haben wir in den zwei Jahren einen richtigen Schritt nach vorn gemacht, gerade beim Scouting und dem Nachwuchszentrum.

Sie sagen immer noch „wir“.

Warum auch nicht? Ich gehöre nicht zu denjenigen, die „ich“ sagen, wenn es gut läuft. Und die „die“ sagen, wenn es schlecht läuft.

Wie ist Ihr Kontakt zur Clubführung ?

Ich sitze im Beirat des Museumsvereins, wo ich regelmäßig Funktionäre treffe. Zu einigen Leuten habe ich weiterhin ein gutes Verhältnis. St. Pauli wird immer ein Teil meines Lebens bleiben. Wenn auch inzwischen aus der Zuschauerperspektive.