London.

Was er denn gedenke, mit seiner Rekordbörse von rund 20 Millionen Pfund anzustellen, wurde Anthony Joshua gefragt. Da gebe es eine Rechnung bei einer Wäscherei, zu der er einmal in der Woche seine Kleidung bringe. „Mindestens 120 Pfund sind da noch offen, das kann ich jetzt begleichen“, sagte der 27-Jährige. Es ist ebenjene Bodenständigkeit, die aus dem britischen Schwergewichtsboxer, der noch immer eine Wohnung mit seiner Mutter teilt, einen Mann des Volkes gemacht hat – und die ihm dabei helfen dürfte, zu einem der größten Champions in der Geschichte seines Sports zu werden.

Dass er sportlich das Zeug dazu hat, wurde in der Nacht zu Sonntag in Wembley offenbar. 44 Runden hatte der Olympiasieger von 2012 bei seinen 18 vorangegangenen K.-o.-Siegen im Ring gestanden, nie zuvor einen Rivalen der Klasse Wladimir Klitschkos vor den Fäusten gehabt. Doch wie er sich von seinem schweren Niederschlag in Runde sechs erholte, nachdem er im Durchgang zuvor Klitschko am Boden gehabt hatte, beeindruckte. „Ich war nach den vielen Schlägen, die ich abgefeuert hatte, ziemlich platt und brauchte eine Pause. Das wäre fast nach hinten losgegangen, aber zum Glück habe ich mit Rob McCracken einen Coach, der in solchen Situationen die Nerven behält“, sagte Joshua.

Mit ein wenig Trashtalk („Ich habe zu Wladimir gesagt, dass ich ihm in der nächsten Runde in den Hintern treten werde“) verschaffte sich Joshua gegen den überraschten Ukrainer die nötige Luft, um die kritischen Runden sieben bis zehn zu überstehen und in Runde elf mit gezielten Aufwärts- und Kopfhaken das Ende des Kampfes zu erzwingen. Die Fragen nach seiner Reife, seinen Nehmerfähigkeiten und seinen Qualitäten konnte der ehemalige Maurer damit allesamt positiv beantworten. „Er muss weiterhin viel lernen und wird spüren, dass es schwerer ist, die Titel zu verteidigen, als sie zu gewinnen. Aber Anthony hat alle Anlagen, um ein großer Champion zu werden“, fasste Ex-Weltmeister Lennox Lewis zusammen, was alle dachten. In den USA wurde Joshua zum Nachfolger von Megastar Floyd Mayweather erklärt.

Die kommenden Tage will er nutzen, um sich der Familie zu widmen. „Ich habe mich ein Vierteljahr nur um mein Training gekümmert“, sagte er, „jetzt sind meine Liebsten dran.“