Nach der 0:4-Blamage von Augsburg sucht der Club nach Auswegen im Abstiegskampf. Gisdol plant ein Kurztrainingslager vor dem Mainz-Spiel

Frustrierte fünf Fans waren es, die sich am Montagmorgen vor dem Volksparkstadion trafen. Viel zu sehen gab es für die HSV-Anhänger nicht. Trainer Markus Gisdol hatte der Mannschaft am Tag nach der 0:4 (0:2)-Blamage von Augsburg nur ein individuelles Programm verordnet. Doch die kleine Gruppe wollte auch gar nichts sehen. Gesehen hatte sie schließlich genug am Nachmittag zuvor. Die ratlosen Fans wollten reden. Sich austauschen. Ihre Sorgen teilen. Das hörte sich dann so an: „Bitte nicht schon wieder.“ „Das schaffe ich nicht noch mal.“ „Dann lieber direkt absteigen.“

Die Sorgen der Hamburger drehen sich um ein allseits bekanntes Schreckgespenst, das mal wieder durch den Volkspark geistert. Zehn Buchstaben und fünf Silben lang. Re-le-ga-ti-on. Drei Spieltage vor dem Ende der 54. Bundesliga-Saison hat sich das HSV-Gespenst ohne jegliche Rücksichtnahme auf die Gefühle der Fans zurückgemeldet. Hello again. Der HSV liegt mal wieder auf Relegationsrang 16. Sogar der direkte Abstieg ist angesichts von nur noch vier Punkten Vorsprung auf den FC Ingolstadt wieder denkbar.

„Wenn man 34-mal so spielt, wie wir es heute gemacht haben, dann steigt man ab“, sagte Sportchef Jens Todt nach dem Albtraum von Augsburg. Nach einem Auftritt, der beim HSV mal wieder die Frage aufwirft: Was nun? „Es geht jetzt darum, Ruhe zu bewahren“, sagte Todt am Sonntag kurz nach dem Spiel, als er bereits Fragen nach Konsequenzen und möglichen Maßnahmen wie die eines Kurztrainingslagers beantworten musste. „Wir werden morgen darüber sprechen, aber ich gehe nicht davon aus, dass wir noch ganz verrückte Sachen machen“, sagte Todt.

Am Montag war von völlig verrückten Ideen zwar noch immer nicht die Rede, doch zumindest hat der HSV entschieden, vor dem Heimspiel gegen den Konkurrenten Mainz 05 am kommenden Sonntag noch in dieser Woche ein Trainingslager zu beziehen. „Wir prüfen Optionen“, sagte Sportchef Todt. Eine Entscheidung, wohin es geht, soll noch an diesem Dienstag fallen. Aller Voraussicht nach würde sich der HSV ab Donnerstag für drei Tage zurückziehen.

Damit würden die Hamburger den Weg wiederholen, den sie bereits vor zwei Jahren gingen. Damals war die Mannschaft unter ihrem neuen Trainer Bruno Labbadia vor dem 29. Spieltag zunächst ins niedersächsische Rotenburg an der Wümme gefahren, um sich auf das Derby bei Werder Bremen vorzubereiten. Vor dem letzten Spieltag gegen Schalke und vor der Relegation gegen Karlsruhe ging es dann jeweils nach Malente in Schleswig-Holstein.

HSV-Trainer Gisdol wiederholt seine Maßnahmen

Labbadias Nachfolger Markus Gisdol hatte sich im vergangenen November nach einer anhaltenden Talfahrt ebenfalls dazu entschieden, sich mit der Mannschaft zurückzuziehen. Gisdol zog es nach Barsinghausen bei Hannover, wo sich die Mannschaft auf das Nordderby gegen Werder Bremen vorbereitete. Seitdem ging es für den HSV in der Tabelle bergauf. Bis zum Rückspiel in Bremen. Drei Niederlagen später muss der HSV reagieren, um den Abstieg zu verhindern. Mal wieder. „Die Aufholjagd hat körperlich und mental viel Kraft gekostet“, sagte Gisdol am Sonntag über die Ursachen des 0:4 von Augsburg. „Mir war klar, dass die Delle irgendwann kommt.“

Nun kam die Delle mit voller Wucht. Insbesondere die Art schreckte alle Verantwortlichen auf. Der HSV war vor 30.660 Zuschauern in der WWK-Arena chancenlos. Allein den Paraden von Ersatz-Ersatz-Torhüter Tom Mickel hatte es der HSV zu verdanken, dass es am Ende durch die Tore von Halil Altintop (28./42.), Philipp Max (76.) und Raul Bobadilla (85.) nur 4:0 stand. „Die Art und Weise, wie wir aufgetreten sind, ist definitiv sehr enttäuschend. Das war dem HSV nicht würdig“, sagte Verteidiger Mergim Mavraj.

Die Hamburger machten vom Anpfiff weg deutlich, dass sie kein gesteigertes Interesse an einem eigenen Spielaufbau hatten. Über gewonnene zweite Bälle wollte der HSV gefährlich werden. Doch die zweiten Bälle landeten am Ende immer beim FCA. Fußballerisch präsentierte sich Gisdols Elf in einem desolaten Zustand. Exemplarisch für die Leistung des HSV stand eine Statistik von Walace. Der im Winter für rund zehn Millionen Euro verpflichtete Bra­silianer spielte als zentraler Mittelfeldmann insgesamt nur vier Pässe.

Noch erschreckender: nur einer der vier Pässe kam bei einem Mitspieler an. Sogar Torhüter Mickel brachte mehr Bälle zum Mann. „Wir waren heute nicht auf dem Niveau, auf dem man in der Bundesliga abliefern muss“, sagte der Regionalligatorhüter, der als einziger HSVer Bundesligaqualität nachwies.

Nun geht es für den Club darum, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Wahrscheinlichkeit auf den Verbleib in der Bundesliga zu erhöhen. Eine davon soll das Kurztrainingslager sein. „Wir wollen uns auf unser großes Ziel fokussieren. Alle zusammen. Nur so geht es“, sagte Todt. Oder wie es Torhüter Mickel in Richtung der gefrusteten Fans formulierte: „Wir müssen beweisen, dass wir richtige HSV-Kicker sind.“