Kann ich unsere Tochter nicht bald mal zum HSV mitnehmen? Darüber habe ich noch vor der Fahrt ins Stadion mit meiner Freundin gesprochen. Ich muss daran denken, als am Sonnabend auf der Nordtribüne die Hölle losbricht. Eine Lawine aus buntem Rauch rollt von unten über mich. Vorn sind vermummte Gestalten auf Banner gemalt. Dann ein röhrender Böllerknall, irgendwo links, vielleicht zwanzig Meter entfernt. So geht weder Choreographie, Anstand noch Abstiegskampf. Nur Irrsinn, blanke Leere in den Köpfen aller Beteiligten.

Für diese Erkenntnis braucht man weder an Paris erinnern, noch an alle anderen Terrorakte, die ein lauter Knall in Menschenmassen wachruft. Es reicht ein Blick auf die Tribüne. Erst standen die „Ultras“ unten da und feierten sich selbst, während die Spieler im Nebel auf den Wiederanpfiff warteten. Dann krächzte der „Capo“ in die teure Sprechanlage, die der HSV ihm spendiert hat, und erwartete Mitmachgesänge von den Eingeräucherten. Was er bekam, waren Mittelfinger aus meinem Block. Während des gesamten Spiels ging auf der Nordtribüne nicht mehr viel zusammen. Noch weniger als bei den Spielern, die durch diese Aktion aus der Konzentration in Fremdscham gerissen wurden.

Ein größeres Eigentor hat der zwölfte Mann in Hamburg lange nicht geschossen. Was kreative, friedliche Fan-Kultur anbelangt, sind die Ultras am Sonnabend in die Zweitklassigkeit abgestiegen. Anhänger dieses Vereins zu sein, kann sich manchmal elend anfühlen.