Hamburg. Beim 32. Haspa-Marathon sollen Polizisten, Poller und Lastwagen vor Anschlägen an der Strecke schützen

Die Schüsse am Donnerstagabend in Paris auf Polizisten und Passanten haben Polizei, Innenbehörde und Veranstalter des 32. Haspa-Mara­thons am Freitag veranlasst, noch einmal über das Sicherheitskonzept für den Stadtlauf am Sonntag nachzudenken. „Das gehört zur Routine“, beschwichtigt Frank Thaleiser, der Organisationschef des Marathons. Die Polizei gab immerhin so viel preis, dass für dieses Wochenende keine Hinweise auf konkrete Gefahren vorlägen. Auch die Geheimdienste gaben Entwarnung – wenn man in Zeiten wie diesen überhaupt verlässliche Voraussagen machen kann.

Der Polizeieinsatz bleibt fürden Veranstalter kostenfrei

Der Haspa-Marathon ist in Hamburg die erste Massenveranstaltung im öffentlichen Raum nach dem Lastwagen-Anschlag im Dezember auf den Berliner Weihnachtsmarkt. Etwa eine halbe Million Zuschauer werden am Sonntag zwischen 9 und 15 Uhr an der 42,195 Kilometer langen Strecke an Elbe und Alster erwartet (siehe Karte), rund 21.500 Läuferinnen und Läufer werden die Distanz in drei Wettbewerben angehen. Für den Marathon, den Hauptlauf, haben 16.000 Ausdauerathleten gemeldet, für die Premiere des Women’s Race 800 Frauen, für die Staffeln, die sich die Strecke in vier Abschnitte aufteilen, 6800 Männer und Frauen. Erfahrungsgemäß verzichten am Ende 20 Prozent aus verschiedenen Gründen auf ihren Start; die meisten, weil sie gesundheitlich angeschlagen sind oder sich nicht fit genug für die körperlichen Herausforderungen fühlen. Beim Zehntel, dem Schülerlauf am Sonnabend rund um das Messegelände, starten 9000 Kinder und Jugendliche. 20.000 Eltern, Omas und Opas werden sie anfeuern und ihnen zujubeln.

Die potenzielle Terrorgefahr fordert von den Veranstaltern heute ständig neue, umfangreichere Abwehrmaßnahmen. „Nach jedem Anschlag irgendwo auf der Welt werden von den Be-hörden erhöhte Sicherheitsstandards vor Ort verlangt, kommen neue Bestimmungen heraus, konkrete Reaktionen auf die Vorfälle“, sagt Thaleiser. Als vor vier Jahren beim Boston-Marathon in den USA die Brüder Dschochar und Tamerlan Zarnajew auf der Zielgeraden zwei in Rucksäcken versteckte Sprengsätze zündeten, drei Menschen töteten und 264 zum Teil schwer verletzten, erhöhte die Hamburger Polizei sechs Tage später beim Haspa-Marathon die Zahl ihrer Zivilfahnder drastisch. Rucksäcke wurden überprüft, Mülleimer geöffnet, Sieldeckel geliftet. Dieses Prozedere hat sich bis heute nicht geändert.

Nach dem Anschlag des Tunesiers Anis Amri in Berlin musste die Marathon Hamburg Veranstaltungs GmbH Anfang des Jahres ein überarbeitetes Sicherheitspapier vorlegen. Es umfasste rund 70 Seiten. Die Behörden verlangen jetzt in Bereichen mit hohem Besucheraufkommen, besonders bei Start und Ziel an der Messe, entlang der Reeperbahn und der City Nord, dass die Zufahrtsstraßen zur Strecke blockiert werden, damit ein ähnliches Attentat wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt gar nicht erst möglich wird. Beim Hamburger Marathon werden rund 30 unbemannte Lastwagen, 7,5-Tonner, an den neuralgischen Punkten als Barrieren stehen. Sie sind mit gefüllten Wassertanks beladen. Die Fahrer stellen sie ab und fahren sie später wieder weg. Polizisten bewachen die Fahrzeuge.

Zusätzlich werden an der Strecke Hunderte von 2,4 Tonnen schweren Betonpollern aufgestellt, die mobile Angriffe von außen abwenden sollen. Auch wenn letzte Tests angeblich belegen, dass große Lastwagen die Hindernisse überwinden könnten, ein Schutz sind diese „Legosteine“ allemal. „Ich habe gehört, die Laster seien nach dem Passieren der Poller so schwer an den Achsen beschädigt gewesen, dass sie nicht weiterfahren konnten“, sagt Thaleiser.

Mehr Sicherheit hat ihren Preis. Die zusätzlichen Maßnahmen kosten rund 40.000 Euro. Poller und Lastwagen sind dabei nur gemietet. „Die Polizei sagte uns, es ergebe keinen Sinn, die Poller zu kaufen, weil in zwei, drei Jahren möglicherweise ganz andere Sicherheitsmaßnahmen vonnöten wären“, berichtet Thaleiser. Das Sicherheitspaket erhöht den gesamten Organisationsetat des Marathons auf mehr als eine halbe Million Euro. Allein die Absperrung der Strecke kostet rund 100.000 Euro, die Anmietung der Messe 250.000 Euro.

Die Organisation kostet mehr als eine halbe Million Euro

Alle Maßnahmen sind mit der Polizei abgestimmt, die sich mit größerem Aufgebot beim Marathon zeigen wird. „Dabei handelt es sich vor allem um sichtbare Präsenz“, sagt Polizeisprecher Ulf Wundrack. „Auch eine kleinere zivile Komponente wird sich wieder unter die Zuschauer mischen.“ Auf mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte wird dagegen verzichtet. Ein nicht unerheblicher Teil der eingesetzten Polizeikräfte werde den Verkehr regeln, Straßensperrungen auf- und abbauen. Zudem laufen seit zwei Tagen Sprengstoffspürhunde die Strecke ab. Der Polizeieinsatz ist für den Veranstalter kostenfrei.

Bisher hat der Haspa-Marathon die Auswirkungen der weltweit angespannten Sicherheitslage nur marginal zu spüren bekommen. Das Teilnehmerfeld inklusive des Zehntels am Vortag ist mit 32.500 Anmeldungen das größte seit der Premiere im Jahre 1986. Allerdings ging die Zahl ausländischer Läufer um etwa 400 auf 4000 zurück. „Das führen wir schon auf die Sicherheitsproblematik zurück“, sagt Thaleiser. Mehr Ausländer könnte der Marathon in China anwerben, was Veranstalter in anderen europäischen Städten bereits tun, für Thaleiser jedoch stehen Aufwand und Ertrag in keinem akzeptablen Verhältnis. Ein Messeauftritt in Peking oder Shanghai kostet all-inclusive 25.000 Euro. Dafür müssten mehr als 300 Chinesen in Hamburg starten. Um bei gestiegenen Kosten bei gleichbleibendem Gesamtetat von 2,7 Millionen Euro die Qualität des Laufes stabil hoch zu halten, soll die Zahl der Anmeldungen künftig gesenkt werden. Thaleiser: „Derzeit haben wir für jeden Marathoni bei Startgeldern von 65 bis 99 Euro Organisationskosten von 150 Euro. Die müssen wir senken.“

300.000 Euro werden beim Haspa-Marathon für Start- und Preisgelder ausgegeben, ein Zehntel dessen, was beim London-Marathon ausgeschüttet wird, der ebenfalls am Sonntag gelaufen wird. Dennoch ist der Hamburger Stadtlauf besser besetzt als jemals zuvor. Drei Äthiopier weisen Bestzeiten von unter 2:05 Stunden auf, der Star ist Olympiasieger und Weltmeister Stephen Kiprotich (28) aus Uganda. Im Feld der Eliteläuferinnen will auch Mona Stockhecke Akzente setzen. Die 33-Jährige vom Laufteam Haspa Marathon möchte die Norm für die WM von London (5. bis 13. August) von 2:29:30 Stunden angreifen. „Ich bin fit“, sagt die Klimageologin. Weil sie ihre Bestzeit um zwei Minuten verbessern müsste, ist das ein ambitioniertes Vorhaben. Mit Sicherheit.