Madrid. Das frühe Aus in der Champions League offenbart Bayern Münchens Probleme im Kader: zu alt, zu wenig Weltklasse für die Zukunft

Es sind schöne Bilder, die derzeit von Bastian Schweinsteiger um die Welt gehen. Der langjährige Kapitän des FC Bayern hat erkennbar Spaß am Fußball. Er spielt zwar in den USA nicht mehr so hochklassig wie einst, versetzt aber die Fans in Chicago regelmäßig in Verzückung. Der 32-Jährige fand als erster Hauptdarsteller jener Mannschaft, die 2013 im Wembleystadion die Champions League gewann, die Freude am Abschied aus München. Ein Großteil seiner Weggefährten allerdings stand am Dienstagabend noch im Estadio Bernabéu auf dem Rasen. Doch auch sie werden trotz einer hinreißenden Darbietung mit ganz bitterem Ausgang erkannt haben: Die Ära der 2013er-Generation neigt sich dem Ende zu.

Die Münchner fühlten sich um den gerechten Lohn gebracht

Das sagt sich leicht, wenn die Betroffenen wenige Augenblicke nach dem 2:4 bei Real Madrid damit beschäftigt sind, das als überflüssig empfundene Viertelfinal-Aus in der Königsklasse emotional zu verarbeiten, und eine rationale Bewertung noch gar nicht möglich erscheint. „Ach bitte, das ist zu früh“, sagte Arjen Robben und wollte nichts zu einer übergeordneten Aufarbeitung beitragen, der sich der Deutsche Rekordmeister nun stellen muss.

Für diesen Abend sahen sich die Bayern zunächst in der Opferrolle. Laut spanischen Medien musste im Kabinentrakt des Bernabéu sogar die Polizei einschreiten, um den ungarischen Schiedsrichter Viktor Kassai vor den aufgebrachten Robert Lewandowski, Arturo Vidal und Thiago Alcantara zu schützen. Die Münchner bestreiten diese Darstellung, drohen mit rechtlichen Schritten. Dennoch fühlen sie sich betrogen, um den Lohn ihrer aufopferungsvollen Arbeit gebracht.

Immerhin hatten sie mit dem 2:1 nach regulärer Spielzeit das Ergebnis aus dem Hinspiel egalisiert. Thomas Müller erkannte aber auch heroische Taten bei den Unterlegenen: „Wir haben Männerfußball gespielt“, sagte er. „Leider wurde heute extrem ins Spiel eingegriffen.“

Gemeint waren das übertriebene Gelb-Rot gegen Vidal (84. Minute), wenngleich der Chilene eine gute halbe Stunde zuvor berechtigt des Feldes hätte verwiesen werden können. Und natürlich die Abseitspositionen bei Cristiano Ronaldos Treffern (105./110.) in der Extrazeit. Dass auch dem Münchner 2:1 durch Sergio Ramos’ Eigentor (77.) ein Regelverstoß vorausgegangen war und erst dadurch die Verlängerung erreicht wurde, fand bei der Anklage keine Erwähnung. Lediglich Mats Hummels trug später zur Entschärfung bei. „Wenn das so war, ist es wenigstens ein kleiner Trost.“ Vereinschef Karl-Heinz Rummenigge verstieg sich sogar in eine Verschwörungstheorie. „Wir sind beschissen worden.“ Für ihn habe die Ungerechtigkeit beim irregulären 2:3 ihren Höhepunkt erfahren: Manuel Neuer brach sich in der Situation den linken Fuß und muss nun acht Wochen pausieren, damit auch am kommenden Mittwoch im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund.

Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der FC Bayern zum vierten Mal in Serie in einem K.-o.-Spiel an einer spanischen Mannschaft gescheitert ist. Pep Guardiola ließ drei Jahre lang den wohl ansehnlichsten Fußball Europas spielen und schaffte es nicht, die Mannschaft in das Finale zu führen. Dieses verpasste nun auch Pragmatiker Carlo Ancelotti, für die Leistungsoptimierung seiner Mannschaft im Saisonendspurt bekannt. Der Italiener sorgte zudem mit so mancher taktischen und personellen Entscheidung für Verwunderung. Dass Vidal nach der Gelben Karte in der fünften Minute dem Platzverweis nahe war, hielt ihn nicht davon ab, mit dem Feuer zu spielen.

Dazu hat der FC Bayern mittlerweile ein Problem mit dem Alter der Mannschaft. Dreißigeinhalb Jahre – nie zuvor war in der Champions League eine Startelf älter als jene am Dienstagabend. Mit Philipp Lahm (33) und Xabi Alonso (35) treten nun zwei große Spieler ab, 2018 könnten Franck Ribéry (34) und Arjen Robben (33) folgen, viele Leistungsträger gehen auf die 30 zu. Weil für „Robbery“ weder Douglas Costa noch Kingsley Coman als Weltklasse-Ersatz gelten dürften (Mittelfeldstratege Renato Sanches ist davon gar noch weiter entfernt), müssen die Münchner im Sommer auf dem Transfermarkt agieren.

Europas größte Offensivtalente spielen derzeit in Dortmund (Ousmane Dembélé), Turin (Paulo Dybala) und Monaco (Kylian Mbappé), bei Dembélé hat sich der Club ein Abwerbeverbot auferlegt. Um aber Weltstars wie Antoine Griezmann (Atlético Madrid) oder Eden Hazard (FC Chelsea) nach München zu lotsen, müssten die Bayern wohl Ablösen nahe der 100-Millionen-Grenze investieren. Ob sich der Rekordmeister dieser Entwicklung verschließen kann – oder will?

Rummenigge versprach, aus diesem mit den Finalniederlagen gegen Manchester United (1999) und Chelsea (2012) vergleichbaren Abend „neue Kraft zu ziehen“. Xabi Alonso pflichtete ihm bei, bevor er das Bernabéu verließ: „Es ist der Bayern-Spirit, immer weiterzumachen.“ Der Spanier wird künftig aber nur eine beobachtende Rolle einnehmen, wenn der FC Bayern neue Geschichte schreiben muss.