Bremen/Hamburg. Neben dem US-Stürmer musste der HSV auf fünf Leistungsträger verzichten und war beim 1:2 in Bremen nahezu chancenlos unterlegen

Henrik Jacobs

Ein paar Kinder der HSV-Fußballschule wollten es am Ostermontag genau wissen. Ob er am Wochenende gegen Darmstadt wieder spielen könne, wurde Bobby Wood in den Katakomben des Volkspark­stadions gefragt. Der US-Amerikaner, der fast eine Woche mit Knieproblemen fehlte, hatte seine anderthalbstündige Einheit auf dem Rasen gerade beendet. „Weiß nicht“, antwortete der eher einsilbige Stürmer, der lieber Tore als Wörter sprechen lässt. „Mal schauen.“

Es dauerte nur ein paar Minuten, ehe Trainer Markus Gisdol das kaisersche „mal schauen“ präzisierte: „Wir planen so, dass Bobby Sonnabend wieder voll einsatzfähig ist“, sagte der Coach am Mittag nach dem 1:2 im Nordderby gegen Werder Bremen. Bereits beim Mannschaftstraining am Mittwoch würde der schweigsame, aber treffsichere Torjäger wieder mitmischen.

Die gute Nachricht: Wood ist also wieder da. Die schlechte Nachricht: Wenn vor und nach dem Nordderby vorrangig über einen Spieler gesprochen wird, der beim Derby gar nicht dabei ist, dann spricht das nicht für einen gelungenen Betriebsausflug nach Bremen.

Dabei hatte der HSV vor der Partie passend zu Ostern ein regelrechtes Versteckspiel aus der Personalie Wood gemacht. Noch am Spieltag stand der kniemalade Angreifer offiziell im erweiterten Kader, obwohl Wood zeitgleich fleißig Bilder aus dem eigenen Wohnzimmer von der Couch aus postete. „Wir wollten es dem Gegner nicht zu früh mitteilen, aber es war schon die letzten Tage klar, dass es keinen Sinn macht“, räumte Gisdol zerknirscht ein.

Relativ sinnfrei war es dummerweise auch, was der woodlose HSV am Sonntag in Bremen zu bieten hatte. „Wir waren alle zusammen ganz schlecht“, gab Kapitän Gotoku Sakai ohne große Umschweife zu. „Wir hatten 90 Minuten lang keinen Zugriff, kamen nicht in die Zweikämpfe, liefen nur rückwärts und wollten auch keine Verantwortung übernehmen.“ Dass Wood fehlte, wollte der Japaner dabei nicht als Ausrede gelten lassen. „Da müssen dann eben die anderen Spieler bereit sein.“

Die anderen Spieler, von denen Sakai da sprach, das war in erster Linie der andere Spieler: Michael Gregoritsch. Und weil es so gut passte, war es tatsächlich der österreichische Wood-Ersatz, der für den ersten Tusch des Tages in Bremen gesorgt hatte: Flanke Aaron Hunt, Kopfball Gregoritsch, 1:0 nach nur fünf Minuten und 34 Sekunden. Viel besser hätte das Spiel der Spiele für die Hamburger nicht beginnen können. Hätte man zumindest meinen können.

Hätte, hätte, Fehlerkette. Unglücklicherweise entpuppte sich Gregoritschs Kopfballtor schnell als unverdientes Zufallsprodukt, das die Bremer mit durchdachtem Spiel und zwei mehr als verdienten Treffern durch Max Kruse (41.) und Florian Kainz (75.) konterten. „Wir haben uns 90 Minuten den Schneid abkaufen lassen“, gab Gregoritsch zu. „Das geht in einem Derby natürlich nicht.“

Es gehört zu den Besonderheiten des Fußballs, dass der spätere Matchwinner Kainz noch in der Halbzeit das Gespräch mit seinem Landsmann suchte. „Florian hat mir gesagt, warum ich immer gegen Werder treffe. Dann macht er es mir leider nach“, berichtete Gregoritsch, der schon in der Jugend gegen Bremens Österreicher derbylierte. Gregoritsch stand seinerseits beim Grazer AK unter Vertrag, Kainz spielte für den Lokalrivalen Sturm Graz.

Wer beim Graz-Derby meist die Nase vorn hatte, ist nicht bekannt. Beim Duell jenseits der Alpen war das Kräfteverhältnis nach 90 einseitigen Minuten deutlich: 13:6 Torschüsse, 53:47 Prozent gewonnene Zweikämpfe und 54:46 Prozent Ballbesitz. Sämtliche Statistiken sprachen klar für die Gastgeber, die nun sogar mit einem Auge nach Europa schielen dürfen. Und der HSV? „Wir müssen uns nichts vormachen“, meinte der frühere Werderaner Hunt. „Wir bleiben bis zum Schluss unten drin.“

Einer der Hauptgründe hierfür dürfte die angespannte Personallage sein. Neben Wood musste Gisdol mit Torhüter René Adler, Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos, Defensivkollege Johan Djourou, Mittelfeldmann Albin Ekdal und Flügelflitzer Nicolai Müller insgesamt auf sechs Stammkräfte oder erste Alternativen verzichten. „Es ist zu einfach, es nur auf die Ausfälle zu schieben“, sagte Gisdol, der aber zugab: „In der Summe war es vielleicht ein bisschen viel. Das war die ultimativ schwierigste Personalsituation.“

Und obwohl sich die Personallage gegen die Konkurrenten Darmstadt, Augsburg und Mainz entspannen soll, bleibt der Abstiegskampf im Gisdol-Duktus vor allem: ultimativ schwierig.