Hamburg. Volker Wulff kontert den Springreitern im Streit um erhöhte Nenngelder. Diese sicherten letztlich die Zukunft ihres Sports.

Von einer Rebellion der Reiter war die Rede. „Pferdesport nur noch für die Superschönen und ganz Reichen?“, so überschrieb die Nachrichtenagentur DPA kürzlich einen Bericht über den Aufruhr unter Europas Springreitern. Hintergrund: Weil der Weltverband FEI ein neues Gebührensystem plane und die Nenngelder in Europa auf das Niveau von Turnieren in den USA anheben wolle, seien die Athleten auf Zinne. Olympiasieger Steve Guerdat aus der Schweiz wurde mit den Worten zitiert: „Es sollte doch auf Talent ankommen und nicht nur aufs Geld. Das ist das Ende unseres Sports.“

Volker Wulff hat all diese Zitate gelesen und mit Kopfschütteln darauf reagiert. Aber weil der 60-Jährige, der seit der Jahrtausendwende mit seiner Agentur En Garde das Deutsche Spring- und Dressurderby in Klein Flottbek managt, das in diesem Jahr vom 24. bis 28. Mai ausgetragen wird, ein besonnener Mann ist, rief er zunächst einige Reiter an, die in die Kritik eingestimmt hatten. „Ich habe versucht, ihnen zu erklären, was hinter der ganzen Sache steckt“, sagt er.

Wulff stellt eine Musterrechnung auf

Was den diplomierten Agrarwissenschaftler so sehr stört an der Diskussion, ist die breite Front der Ablehnung, die durch die europäischen Verbände und auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) aufgebaut wurde. „Die FN hat gleich das Horrorszenario gewählt, dass bei einem Viersterneturnier die Gebühr von circa 500 auf 1700 Euro steigen könnte. Da es mehr Reiter als Veranstalter gibt, kann man den Eindruck gewinnen, dass der Verband mehr an die Aktiven denkt als an diejenigen, die die Plattform für den Sport bieten. Aber wenn sich für die Veranstalter auf der Einnahmenseite nichts ändert, wird das üble Folgen haben“, sagt er.

Warum eine Erhöhung der Nenngelder vonnöten ist, erläutert Wulff anhand einer Musterrechnung. Die Veranstaltungskosten hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Schuld daran seien der Mindestlohn, der zu Aufschlägen von bis zu 30 Prozent geführt habe, und die Kosten für Dienstleistungen wie Brandschutz, Sicherheit und Sanitätsdienst, die sich teils mehr als verdoppelt hätten. „Außerdem werden die Preisgelder in Schweizer Franken berechnet, die Nenngelder aber in Euro. Die Folgen, die durch die Verschiebung der Wechselkurse resultieren, haben wir oft angemahnt, aber es ist nichts passiert.“

Reiter sparen Hotelkosten und Pferdegebühren

Die vom Weltverband vorgegebene Turnierstruktur sieht Springprüfungen in der Abstufung von eins bis fünf Sterne vor. Die Regeln dafür werden im Jumping Comittee der FEI abgestimmt, in dem Vertreter des Verbands, der Reiter- und der Veranstaltervereinigung sitzen. Weil die Athleten eine traditionell starke Fraktion stellten, seien in der Vergangenheit viele Veränderungen zu deren Gunsten geschehen. „Zum Beispiel zahlen Reiter bei Vier- und Fünfsterneturnieren keine Hotelkosten mehr. Bei Fünfsterneevents sind sogar alle Pferde der Reiter, die für den Großen Preis qualifiziert sind, von allen Gebühren befreit“, sagt Wulff. Diese Kosten müssen die Veranstalter tragen.

Weil man sich untereinander einig sei, die höheren Kosten nicht auf die Eintrittsgelder aufzuschlagen, die im Übrigen sowieso nur maximal 20 Prozent der Gesamteinnahmen darstellten, sei die einzige Chance, mehr Geld zu generieren, die sukzessive Anpassung der Nenngelder. Wulff favorisiert prinzipiell das in den USA praktizierte System, wonach sich die Gebühr pro Pferd prozentual am Preisgeld orientiert und die Veranstalter marktgerecht entscheiden können, auf welchem Niveau sie die Gebühren anlegen. In Europa sind die Summen festgelegt, bei einem Viersterneturnier zahlt man 350 Euro pro Pferd, damit sind alle Kosten für Versorgung, Stellplatz und Organisation abgedeckt. „Die Lücke zwischen Europa und den USA ist riesig, weil es angeblich dort keine Sponsoren gibt und die Gebühren deshalb in immenser Höhe frei festgelegt werden. Da wollen wir nicht hin, aber der jetzige Zustand ist nicht mehr zu akzeptieren.“

Wulff denkt auch an die kleineren Turniere

Die Folgen der finanziellen Belastungen seien jetzt bereits in Deutschland zu beobachten. „Ich spreche nicht von Topturnieren wie Aachen, Leipzig, Berlin oder Hamburg. Die haben durch ihre mediale Präsenz ganz andere Vermarktungsmöglichkeiten“, sagt Wulff. „Aber alles zwischen zwei und vier Sternen arbeitet im Bereich der Überlebensgrenze. Viele Veranstalter stopfen Löcher mit Erspartem oder Hilfe der Kommunen.“ Traditionsveranstaltungen wie in Bremen, Hannover, Spangenberg oder Hachenburg mussten bereits aufgeben, weil sie finanziell nicht mehr tragbar waren.

Deshalb kann der Derbymacher auch die Argumentation nicht verstehen, wonach eine Nenngelderhöhung den Sport kaputtmachen würde. „Das Gegenteil ist der Fall. Die kleineren internationalen Turniere sind die Basis des Sports. Dort können Jungpferde, für die es nach dem neuen System sogar billiger würde, an die großen Wettkämpfe herangeführt werden und die Reiter, die auch in der Zucht und im Handel aktiv sind, die Kontakte zu potenziellen Käufern knüpfen.“ Wenn diese Basis wegfiele, dann sei der Sport wirklich nur noch für die Reichen zugänglich.

Szenarien wie in Spanien drohen

Der Vorwurf, die Veranstalter würden auf hohem Niveau jammern, verärgert Wulff, zumal die zusätzlichen Einnahmen hauptsächlich in Verbesserungen der Infrastruktur investiert werden sollen. „Viele Reiter fordern immer höhere Standards. Mit einer etwas erhöhten Gebühr würden sie letztlich nur die Plattformen mitfinanzieren, die sie sich für ihren Sport wünschen.“ Man sei sich bewusst, dass auch die Athleten als Stallbetreiber mit Teuerungsquoten zu kämpfen haben. „Deshalb werden wir ja auch nicht das vom Verband gewählte Horrorszenario umsetzen, sondern mit Augenmaß so erhöhen, dass es für alle leistbar ist.“

Sollte es auf der Hauptversammlung der FEI im Herbst keine Beschlüsse für die Saison 2018 geben, drohen wie kürzlich in Spanien erlebte Szenarien, dass Veranstalter Gebühren erheben, die ihnen der Weltverband nicht verbieten könne. „Dort mussten alle Reiter für 100 Euro einen Zugangsausweis kaufen, ohne den sie nicht auf die Anlage gedurft hätten“, sagt Wulff. Solche Auswüchse wolle man vermeiden. „Deshalb ist es wichtig, dass wir aufeinander zugehen. Die Fronten sind nicht verhärtet, aber es ist höchste Zeit, dass ein Umdenken stattfindet, um die Struktur des Springreitsports nicht zu zerstören.“