Dortmund. Der Präsidentvon Borussia Dortmund spricht über den Anschlag auf den Mannschaftsbus, dessen Folgen und seine Gefühle

Wieder nutzt der Terror die Fußballbühne, wieder musste BVB-Chef Reinhard Rauball alles in verantwortlicher Position miterleben, zum dritten Mal innerhalb von 17 Monaten.

Herr Rauball, haben Sie schlafen können in der Nacht?

Reinhard Rauball: Schlaf? Wollen Sie es in Minuten oder Sekunden wissen?

Zum bereits dritten Mal erleben Sie die Bedrohung des Fußballs hautnah mit.

Ich war 2015 in Paris Delegationsleiter der Nationalmannschaft Wir haben damals die Nacht mit der Mannschaft, mit Familie und Freunden in der Kabine im Stadion verbracht. Auch drei Tage später beim Länderspiel in Hannover, das ebenfalls abgesagt wurde, war ich Delegationsleiter. Alles traurige Stunden des Fußballs. Aber der Dienstag war der negative Höhepunkt, weil die Bedrohung so nah an uns herangekommen ist. Ich bin unendlich traurig, dass ich so etwas erleben muss und dass vor allem Team und Fans so etwas erleben müssen.

Dieser Angriff galt der Mannschaft.

Die Mannschaft ist unser Heiligtum. Die attackiert zu sehen macht sprachlos und bedrückt. Das ist etwas, das man erst einmal verarbeiten muss, um zur Normalität übergehen zu können.

Was glauben Sie, wie lange das dauert?

An Paris denke ich immer wieder mal sporadisch. Eine Nacht in einer Kabine zu verbringen, ohne Schlaf, mit der Verantwortung für 30, 40 Menschen. Das war eine besondere Herausforderung. Und ähnlich sehe ich es in diesem Fall.

Wie blicken Sie auf eine Welt, in der sich solche Dinge ereignen?

Unsere Welt ist in vielen Bereichen in eine Schieflage geraten. Es gibt immer wieder Vorfälle, die das zum Vorschein bringen. Wir müssen uns generell Gedanken machen, wohin unsere Gesellschaft driftet, wenn derartige Dinge passieren. Wie in Berlin, in München und in Paris. Die Frage ist: Gibt es eine Möglichkeit, das Rad zurückzudrehen und die Dinge wieder in den Griff zu bekommen? Da ist unsere Politik und unsere Gesellschaft gefragt, sehr kreativ dieses Ziel ins Auge zu fassen.

Was glauben Sie: Gibt es eine Möglichkeit?

Wer so feige und aus dem Hinterhalt agiert, ist natürlich im Vorteil. Die Frage ist: Wie geht man damit um? Wie kann man eine solche Entwicklung stoppen? Was sind die Lehren, die man daraus ziehen muss? Vor allen Dingen, und da ist die Justiz gefragt, gibt es in der Bevölkerung bei zu vielen Delikten das Gefühl, dass viele günstiger wegkommen, als es die Bevölkerung für angebracht hält. Und das verstärkt ein gewisses Unsicherheitsgefühl der Menschen.

Können Sie schon wieder Optimismus fühlen und formulieren?

Ich habe schon in der ersten Stunde des Vorfalls gesagt, dass das für die Spieler natürlich schwer ist, damit umzugehen. Sie waren unmittelbar dabei, haben miterlebt, wie Marc Bartra verletzt worden ist, sodass er operiert werden musste. Das ist schwer zu verarbeiten.

Sind wir machtlos dem Terror ausgesetzt?

Ich bin bereit, auch schwierigste Aufgaben anzugehen, aber das ist vor allem die Sache des Staates, der Ermittlungsbehörden und Gerichte. Ich möchte aber feststellen, dass der Fußball einmal mehr und aller Unkenrufe zum Trotz eine großartige Botschaft in die Gesellschaft gesendet hat, was Solidarität, Respekt, Hilfsbereitschaft angeht. Dass das in dieser Deutlichkeit zutage kam, das ist sehr schön. Aber leider auch das einzig Schöne. (Daniel Berg)