Dortmund. BVB verliert neu angesetztes Viertelfinal-Hinspiel trotz großen Einsatzes. Monacos Führung war irregulär. Spieler glauben an Wunder.

Die Hymne der Champions League ist eine Art Heiligtum bei Fußball-Profis. Sie kündet von großen Abenden, von großen Aufgaben. Diese war zu groß für Borussia Dortmund. Mit 2:3 (0:2) verlor die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen die AS Monaco. Jenes Spiel, das neu angesetzt werden musste, weil am Tag zuvor ein Bombenattentat auf den BVB-Mannschaftsbus eine Austragung der Partie verhindert hatte.

Bei der Attacke hatte sich Innenverteidiger Marc Bartra einen Armbruch zugezogen. Nach erfolgreicher Operation schaute er im Krankenhaus am Fernseher zu, wie seine Kollegen mit dem Gegner rangen - und mit den Geschehnissen des Vortages. Indiz dafür: Als die Hymne der Königsklasse in den Minuten vor dem Anpfiff ertönte, standen da Männer in Schwarz und Gelb mit leeren Blicken. Roman Bürki, der Torwart, der neben Bartra im Bus gesessen hatte, schien die Tränen in den Augen stehen zu haben.

"Es hat schon viel Courage erfordert. Die haben wir gezeigt", sagte BVB-Trainer Thomas Tuchel nach dem Spiel. "Es ist dadurch nicht vergessen und verarbeitet. Die Mannschaft hätte gern mehr Tage gehabt. Wir fühlten uns komplett übergangen, als es hieß: Morgen seid ihr dran." Spieler Nuri Sahin, der von Beginn an auflief, befand nach Abpfiff: "Es war kein schöner Tag heute. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alle Menschen sind."

Internationale Pressestimmen zum BVB-Anschlag

FRANKREICH

„L’Équipe“: „Wie soll man von diesem deutschen Team und diesen Spielern verlangen, 24 Stunden danach einsatzfähig zu sein, als ob nichts wäre und im Vollbesitz ihrer Fähigkeiten? Niemand weiß, wie sie reagieren werden und in welche Richtung die emotionale Überlastung sie tragen wird (...).“


„Le Figaro“: „Schwarze Stunden, die den Anschlag am Stade de France am 13. November 2015 in Erinnerung rufen, während des Spiels zwischen Frankreich und Deutschland.“


„Le Parisien“: „Für mehrere deutsche Spieler ist der Terrorismus bereits eine Realität. Die Nationalmannschaft war sehr mitgenommen von ihrer Nacht im Herzen des Stade de France nach dem Freundschaftsspiel gegen Frankreich, das am 13. November 2015 von den Explosionen der drei Selbstmordattentäter gezeichnet wurde – Beginn einer Anschlagsserie in Paris (130 Tote).“

GROSSBRITANNIEN

„BBC Sport“: „An einem verstörenden Abend hat Borussia Dortmund seine Klasse gezeigt. Der Club befand sich im Schockzustand, nachdem vor dem Spiel gegen Monaco drei Explosionen den Mannschaftsbus beschädigt haben. (...) Doch mit dem Hashtag #bedforawayfans boten die Dortmund-Fans den Monaco-Anhängern Übernachtungsmöglichkeiten an. Was für eine fantastische Geste an einem besorgniserregenden Abend.“


„The Telegraph“: „Die Fans von Borussia Dortmund haben am Dienstag einmal mehr ihre Klasse bewiesen, indem sie den Monaco-Anhängern, die wegen der Spielverlegung gestrandet waren, eine Unterkunft für die Nacht angeboten haben.“


„The Guardian“: „Die Fans zeigen Zusammenhalt, nachdem der Dortmund-Bus von Explosionen getroffen wurde.“

ITALIEN

„Corriere della Sera“: „Die Angst vor Terroranschlägen hat nun auch die Champions League erreicht. (...) Die ganze Mannschaft von Borussia Dortmund steht unter Schock. Die Sorge vor einem Angriff von Terroristen hat sich lange in den Köpfen der Menschen festgesetzt, und auch Fußballer wissen, dass sie potenzielle Angriffsziele von denen werden können, die das normale Leben des Westens zerstören wollen. (...) Zu sagen, dass Deutschland aus Angst vor dem Terror in einem alptraumartigen Zustand ist, wäre übertrieben. In dem Land geht das normale Leben weiter. Die Gedanken an eine erhöhte Gefahr existieren nach den Attentaten der vergangenen Monate, aber die Bevölkerung reagiert meist bestmöglich.“


„La Repubblica“ (online): „Ein Schreiben am Ort der Explosion verweist auf das deutsche Engagement gegen den IS, aber die Ermittler könnten das für Irreführung halten. Eine alternative These deutet auf extremistische Kreise unter den Fans hin – jene, gegen die sich der Club und sein Präsident seit längerem stellen.“

SPANIEN

„Mundo Deportivo“: „Angriff auf den Fußball. Die Attacke ist ebenso unverständlich wie vorerst noch rätselhaft.“


„El Mundo“: „Die Panik greift auf die Champions League über. Es wurden Erinnerungen wach an andere tragische Zwischenfälle bei oder am Rande von Fußball-Spielen, wie etwa die Pariser Terrornacht von November 2015.“


„AS“: „Noch Stunden nach dem Zwischenfall war die Polizei in Dortmund verwirrt. Es gab kein Kommuniqué zu den Ursachen. Islamischer Staat? Ultras? Ein Unfall? Die beunruhigende Verzögerung deutet auf eine geringe Fähigkeit der Polizei hin. Die Mannschaftsbusse werden ja eskortiert, die Polizei konnte deshalb die Ermittlungen sofort aufnehmen.“


„Sport“: „Attacke auf Dortmund! Nach Bekanntwerden der Explosionen machte sich Konfusion breit.“


„La Vanguardia“: „Explosionen gegen den Fußball. Der Angriff hat Deutschland erschüttert.“


„Marca“: „Angriff auf die Champions League.“

ÖSTERREICH

„Kronen Zeitung“: „Anschlag auf die Fußballwelt“


„Die Presse“: „Es sollte ein Fußballfest werden am Dienstagabend in Dortmund. Doch stattdessen herrschte Ausnahmezustand.“


„Kurier“: „Fußballwelt in Schockstarre“


„Heute“: „Schock-Nacht für den Fußball“

SCHWEIZ:

„Neue Zürcher Zeitung“: „Nach der Terrorattacke auf den Berliner Weihnachtsmarkt letzten Dezember weiss Deutschland, dass die Gefahr real ist, aber sie lähmt nicht. Nirgendwo in Dortmund brach Panik aus.“

GRIECHENLAND:

„Goalanews“: „Sie wollten Tote haben. Sokratis: Wir sind beängstigt und schockiert“


„Sportday“: „Angst, Verbitterung, Ratlosigkeit“


„To Fos“: „Schock! Drei Explosionen neben dem Dortmund Bus. Sokratis: Wir haben Angst“.

IRLAND

„The Irish Independent“: „Fußball, und Sport im Allgemeinen, ist zu einem Ziel geworden. Das muss jetzt bei jedem öffentlichen Ereignis berücksichtigt werden.“

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BVB war das Ereignis anzumerken

In all diesem Gefühlsdurcheinander stand dennoch ein Fußballspiel an, ein wichtiges, wenn davon bei all den Ereignissen die Rede sein darf. Sven Bender kehrte nach langer Verletzungspause zurück in die Mannschaft und ersetzte Bartra in der Innenverteidigung. Doch gerade in der ersten Halbzeit war den Dortmundern anzumerken, dass die vergangenen 24 Stunden Eindruck hinterlassen hatten.

Zu Hause spielt die Borussia für gewöhnlich mutig und frei nach vorn. Das gelang nicht oft. Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang schoss nach einem Pass von Lukasz Piszczek über das Tor (11. Minute). Doch kurz danach kippte die Partie auf die Seite der Gäste. Bei einem Konter foulte Sokratis den Stürmer Kylian Mbappé im Strafraum, doch Fabinho setzte den folgenden Elfmeter neben das Tor (16.).

Polizei zeigt Präsenz vor BVB-Spiel

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    Mbappé bei Führung im Abseits

    Doch die Freude darüber währe nicht lang, weil drei Minuten später Mbappé zur Stelle war. Eine halbhohe Hereingabe beförderte er fast versehentlich mit dem Oberschenkel über die Linie. Was den Dortmunder Unmut noch erhöhte: Der 18-Jährige stand bei der Aktion recht deutlich im Abseits.

    Und direkt nach der zweiten Dortmunder Chance, als Shinji Kagawa einen Pass von Matthias Ginter neben das Tor grätschte (31.), erhöhte die AS. Sven Bender, der Bartra-Vertreter, köpfte eine Flanke aus fünf Metern ins eigene Tor (35.). Das Unglück trug Schwarz und Gelb.

    Reaktionen auf die Explosion am BVB-Bus

    Hans-Joachim Watzke (BVB-Geschäftsführer)

    "Es ist ein Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus verübt worden. Die ganze Mannschaft ist in einer Schockstarre. Solche Bilder bekommst du nicht aus dem Kopf. Ich hoffe, dass die Mannschaft einigermaßen in der Lage ist, am Mittwoch wettbewerbsfähig auf dem Feld zu stehen. In so einer Krisensituation rücken alle Borussen zusammen."

    Reinhard Rauball (BVB-Präsident)

    "Die Spieler werden das wegstecken und in der Lage sein, ihre Leistung abzurufen. Das wäre das Schlimmste, wenn diejenigen, die den Anschlag verübt haben, jetzt auch noch damit etwas erreichen."

    Steffen Freund (Champion-League-Sieger 1997 mit Borussia Dortmund)

    "Wenn es einen direkten Angriff auf den Bus gab, dann ist das nicht bis Mittwoch weg. Das ist mental und psychisch nicht zu verkraften. Das hat ganz schöne Ausmaße."

    Ilkay Gündogan (Ex-BVB-Profi, jetzt Manchester City)

    "Ich kann es nicht fassen! Ich hoffe, es geht euch allen gut."

    Jerome Boateng (Nationalspieler Bayern München)

    "Ich hoffe, alle bei euch sind o.k."

    Javi Martinez (Bayern München)

    "Marc Bartra, ich hoffe, dass Du Dich schnell erholst und morgen spielen kannst!"

    SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz

    "Ich bin schockiert“, schrieb der SPD-Vorsitzende am Dienstagabend bei Twitter. Dem verletzten Dortmund-Spieler Marc Bartra wünschte er gute Besserung. „Und allen Fans eine gute und sichere Heimreise!“, so Schulz.

    Benedikt Höwedes (Schalke 04)

    "Getrennt in den Farben, vereint gegen Gewalt! Alles Gute, MarcBartra und dem gesamten Team des BVB! Ich hoffe, es geht euch gut!"

    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)

    "Schockierende Nachricht. Unsere Gedanken sind beim BVB. You'll never walk alone!"

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    BVB steigert sich erheblich

    Doch in der zweiten Halbzeit steigerten sich die Borussen enorm. Erst setzte Ousmane Dembélé einen Freistoß aus 18 Metern knapp neben das Tor (47.), dann wurde sein nächster Versuch im Strafraum in letzter Sekunde abgeblockt (53.). Sein dritter Schuss landete aber dann im Tor, weil es ihm Aubameyang und Kagawa in der Vorbereitung leicht machten. Dembélé schob den Ball aus fünf Metern ins leere Tor (57.).

    Doch die Hypothek aus der ersten Halbzeit erwies sich als zu hoch. Schon eine Viertelstunde vor dem Ende musste Radamel Falcao den dritten Treffer erzielen, doch er schoss - nachdem er Bürki umspielt hatte - über das Tor (76.). Drei Minuten später machte es Kylian Mbappé besser. Nach einem Fehlpass Piszczeks lief er allein auf das Dortmunder Tor zu, verwandelte kühl uns sehenswert.

    Tuchel gefiel die zweite Halbzeit

    Immerhin: Ein weiteres Mal meldete sich der BVB zurück. Kagawa schloss nach feinem Solo erfolgreich ab und traf zum 2:3 (84.). Aubameyang köpfte den möglichen Ausgleich in der Nachspielzeit noch über das Tor. "Ich fand die zweite Halbzeit sehr gut. Die erste war nicht so gut, aber auch bitter im Verlauf", sagte Tuchel. "Der Ausgleich hätte einen enormen Schub gegeben. Es waren ungezwungene Fehler, die man in keinem Spiel machen darf." So blieb es ein Ergebnis, das vor dem Rückspiel in einer Woche nur noch minimale Chancen auf ein Weiterkommen lässt.

    Die Mannschaft jedenfalls scheint an ihre Möglichkeit zu glauben. "Das zweite Tor ist Gold wert", sagte Sahin. "Wir wussten, dass es nicht einfach wird. Bis zum Anpfiff war alles im Kopf, nur kein Fußball." Und Julian Weigl meinte: "Wir konnten nicht so frei spielen, wie wir das eigentlich können. Zum Glück haben wir uns dann ein Stück weit davon gelöst. In der zweiten Halbzeit haben wir dann einfach die Köpfe ausgeschaltet, Gas gegeben und zum Glück noch ein relativ ordentliches Ergebnis gestalten können."

    Statistik

    Dortmund: Bürki - Ginter, Sokratis, Sven Bender (46. Sahin) - Piszczek, Kagawa, Weigl, Schmelzer (46. Pulisic) - Dembele, Guerreiro - Aubameyang. - Trainer: Tuchel

    Monaco: Subasic - Toure, Glik, Jemerson, Raggi - Fabinho, Moutinho - Silva (66. Dirar), Lemar - Falcao (85. Germain), Mbappe. - Trainer: Jardim

    Schiedsrichter: Daniele Orsato (Italien)

    Tore: 0:1 Mbappe (19.), 0:2 Sven Bender (35. Eigentor), 1:2 Dembele (57.), 1:3 Mbappe (79.), 2:3 Kagawa (84.)

    Zuschauer: 65.849 (ausverkauft)

    Besonderes Vorkommnis: Fabinho schießt Foulelfmeter neben das Tor (17.)

    Gelbe Karten: Sokratis (2), Ginter (2) - Jemerson (4), Lemar (2), Dirar, Fabinho (3), Subasic

    Torschüsse: 15:7

    Ecken: 7:1

    Ballbesitz: 65:35 %

    Zweikämpfe: 74:72