Hamburg. Dennis Diekmeier droht beim HSV ein Negativ-Rekord. Im Nordderby hofft der Ex-Bremer auf seinen ersten Ligatreffer

Um 14 Uhr war es mit der Entspannung vorbei. HSV-Profi Dennis Diekmeier blieben am Montag, dem letzten freien Tag vor dem 106. Nordderby bei Werder Bremen am Ostersonntag, nur ein paar Stunden Ruhe. Dann war sein Sohn Dion (3) aus der Kita zurück. Und das bedeutet im Hause Diekmeier vor allem eins: Action, Action, Action. „Dion will immer Fußball spielen. Der kennt keine Pausen“, sagte Vater Dennis am Montag im Gespräch mit dem Abendblatt. Nur die künftige Position von Diekmeier junior sei noch nicht klar zu erkennen. Stürmer oder Verteidiger? „Das muss sich noch herausstellen. Auf jeden Fall haut er sich in alles rein“, sagt Diekmeier und lacht.

Wenn er über die fußballerischen Merkmale seines Sohnes spricht, könnte er genauso gut den jungen Dennis Diekmeier meinen, der vor zehn Jahren in der Jugend von Werder Bremen spielte. Bis zur U 19 war Diekmeier Stürmer. Im 4-3-3-System spielte er Rechtsaußen. Dann hatte sein damaliger Trainer, Werder-Legende Mirko Votava, die Idee, ihn zum Rechtsverteidiger umzuschulen. „Ich habe gedacht, dass er auf der Position die größten Chancen hat, Bundesligaprofi zu werden“, sagte Votava dem Abendblatt. Der 60-Jährige war bis Februar noch immer Trainer der Bremer U 19. An den jungen Diekmeier erinnert er sich noch gut. „Dennis war schon immer ein sehr dynamischer Spieler. Er hatte den nötigen Ehrgeiz und den Willen“, sagt Votava. „Er war kein Maradona, er wusste, dass er hart arbeiten muss, um es in die Bundesliga zu schaffen.“

Diekmeier schaffte es. Nach seinem nicht ganz geräuschlosen Wechsel nach Nürnberg 2009 ging es 2010 zum HSV. Hier hat er in den vergangenen Jahren viele Krisen erlebt – und persönliche Rückschläge. Doch Diekmeier kämpfte sich immer wieder zurück in die Mannschaft. So wie in diesem Jahr. In der Hinrunde hatte er seinen Stammplatz an Gotoku Sakai verloren. Doch seit der Japaner im Mittelfeld spielt, ist Diekmeier wieder rechts hinten gesetzt. In der Rückrunde stand Diekmeier in allen Heimspielen in der Startelf – der HSV blieb ungeschlagen. „Dieki ist unser Mister zuverlässig“, sagt Sportchef Jens Todt über den 27-Jährigen. „Er hängt sich immer voll rein. In seiner Karriere muste er sich vieles hart erarbeiten. Und so lebt er auch“, sagt Todt.

Schon in der Jugend warfen Diekmeier Verletzungen zurück. „Er hat sein Ziel trotzdem nie aus den Augen verloren“, sagt Ex-Trainer Votava. „So einen Spieler wünscht man sich als Trainer. Er hat immer Verantwortung übernommen“. In Bremens U 19, in der er unter anderen mit Werders Topstürmer Max Kruse zusammenspielte, war Diekmeier sogar der nominelle Elfmeterschütze. Acht Tore schoss er in der Saison 2007/08 in der A-Jugend-Bundesliga. „Damals habe ich noch ordentlich geknipst“, sagt Diekmeier – und lacht erneut. Er weiß, welches Thema jetzt wieder kommt. Es geht um seine Knipser-Qualitäten, die zwischen 2007 und 2017 doch deutlich auf der Strecke geblieben sind. Tore schießt Diekmeier heute nur noch im Training oder beim Spielen mit Sohn Dion.

Genau genommen sind es 176 torlose Bundesligaspiele, die Diekmeier nun schon hinter sich gebracht hat. Kommt er in den letzten sechs Spielen dieser Saison zum Einsatz, ohne zu treffen, stellt er den Torlos-Rekord des früheren Bielefelders Markus Schuler ein (182). Diekmeier nimmt es mit Humor. „Erst will ich in die Geschichtsbücher, und dann fange ich an mit dem Toreschießen“, sagt er – und lacht.

Ganz im Ernst würde er diesen Eintrag in die Bundesligarekorde natürlich gerne vermeiden. Und es würde keinen besseren Zeitpunkt geben für sein erstes Bundesligator als das Derby am Sonntag. Diekmeier hat noch viele Freunde in Bremen. Seine Eltern wohnen im benachbarten Achim und fiebern am Sonntag mit ihrem Sohn. Und im Werder-Tor steht mit Felix Wiedwald sein früherer Kumpel und Teamkollege in der Bremer Jugend. „Gegen Felix mein erstes Bundesligator zu schießen, und dann auch noch in Bremen, das wäre eine überragende Geschichte“, sagt Diekmeier.

Viel mehr freut ich der Verteidiger aber auf ein emotionsgeladenes Derby. „Wenn ich daran denke, wie wir auf dem Weg ins Stadion ausgepfiffen werden, das motiviert mich jetzt schon“, sagt Diekmeier. Beim 3:1-Sieg des HSV in der vergangenen Saison musste er im Weserstadion verletzt zuschauen. Erst einmal in sechs Jahren spielte er als Hamburger in Bremen – und verlor. Im Volkspark konnte er das Duell dagegen schon dreimal gewinnen. „Ich weiß, was das Derby bedeutet. Für uns alle ist das ein extrem besonderes Spiel.“

Diekmeier würde im Derby einen Elfmeter schießen

Auch Mirko Votava wird am Sonntag im Stadion dabei sein und seinen ehemaligen Schützling Diekmeier beobachten. Ihm hat es der HSV-Profi mitzuverdanken, dass er heute in der Bundesliga spielt. Nachdem Votava Diekmeier einst zum Verteidiger umgeschult hatte, begann dessen Aufstieg. 2008 gewann er unter Trainer Horst Hrubesch die U-19-Europameisterschaft, anschließend wurde er als bester Spieler mit der Fritz-Walter-Medaille ausgezeichnet.

Auch bei diesem Turnier war Diekmeier als Torschütze erfolgreich. Sein Treffer gegen Bulgarien war bis heute sein vorletztes Pflichtspieltor. Es folgte ein weiteres in der Regionalliga für Werder II. „Ich würde Dennis ein Tor in Bremen wünschen“, sagt Votava, „solange wir 2:1 gewinnen.“ Diekmeier denkt naturgemäß etwas anders. „Mir wäre es lieber, ich bleibe torlos, und wir gewinnen 2:1.“ Und auch den perfekten Spielverlauf hat er sich ausgemalt. „Wenn wir kurz vor Schluss 2:0 führen und einen Elfmeter bekommen, dann nehme ich mir den Ball und haue ihn rein.“