Melbourne. Der Ferrari-Star beendet zum Start der Formel-1-Saison seine Sieg-Durststrecke

Alles neu in der neuen Formel 1? Das zu behaupten, wäre nun etwas übertrieben. Doch zum ersten Mal seit 553 Tagen sind die italienischen Momente wieder zurück in der Königsklasse des Motorsports: Sebastian Vettel triumphiert beim Großen Preis von Australien nach 57 Runden mit 9,9 Sekunden vor dem mit seinem Silberpfeil aus der Pole-Position gestarteten Lewis Hamilton. Damit zeichnet sich schon nach dem ersten von 20 WM-Läufen ab, dass Rot gegen Silber das große Duell der Saison wird. Nach den Erkenntnissen aus dem Albert Park auch personifiziert auf den Heppenheimer und seinen britischen Gegenspieler, denn Valtteri Bottas im zweiten Mercedes und Vettels Adjudant Kimi Räikkönen blieben weit blasser. Red Bull Racing, als Geheimfavorit gehandelt, war die große Enttäuschung. Erst kam Lokalmatador Daniel Ricciardo nicht in die Gänge, dann schied er zur Rennmitte aus; Max Verstappen blieb nur der fünfte Rang.

Die Auslaufrunde im Albert Park wurde für Sebastian Vettel zu einem gefährlichen Slalom, Zehntausende Aus­tralier hatten die Piste schon gestürmt, viele mit roten Fahnen. Vettel hielt aus dem Cockpit eine lange Ansprache in fließendem Italienisch, nicht übersetzt werden mussten die wichtigsten Begriffe, „grande macchina“ und „Forza Ferrari!“ Der Heppenheimer hüpfte nach dem 43. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere, dem ersten seit Singapur 2015, wie ein Knallfrosch durch die Boxengasse. Schon auf dem Weg zur Wiegeprozedur drehte er noch einmal um, um die Fahrzeugnase seines Autos zu streicheln – dort, wo das springende Pferd im Ferrari-Wappen aufgeklebt ist. Alle Anspannung einer desillusionierenden letzten Saison, alle Hoffnung auf eine Neuordnung unter dem neuen Reglement löste sich in pure Freude auf. Und mit ihm hofft die Formel-1-Fangemeinde.

Nach 51 Mercedes-Triumphen in 59 Rennen der Hybrid-Ära haben sich die Tendenzen aus den Testfahrten verdichtet: Es gibt jetzt zwei Favoriten für den Sieg. Der Wunsch von Jean Todt, dem Präsidenten des Automobilweltverbandes FIA, nach mehr Action und Emotion, wurde mit dem Knalleffekt von Melbourne erfüllt. Das Mittelfeld ist enger zusammengerückt, dort kann auch munter überholt werden, und ganz vorn ist es richtig eng – was sicher nicht nur an der temporären Piste lag.

Sebastian Vettel war trotz seines verschlafenen Starts schon nach einer Runde sicher, dass er Mercedes die Botschaft von Konzernteam zu Konzernteam übermitteln würde können: „Wir sind wieder hier.“ Dass es dann tatsächlich so weit kam, habe ihn aber völlig überwältigt: „Es war eine Freude, heute ins Lenkrad zu greifen, das Auto hat super funktioniert, es wurde immer schneller. Das war heute ein Tag fürs Team, wir stehen ganz anders da als vor einem Jahr, und das kann man auch allen ansehen. Die Leidenschaft ist unser größter Antrieb, und in den letzten Monaten hat sich alles beruhigt. Wir haben nicht links oder rechts geguckt, die Leute arbeiten glücklich miteinander.“ Das dritte Jahr Vettels in Maranello, in dem es auch um seine Vertragsverlängerung geht, soll die Ruhe den Sturm bringen. Sergio Marchionne, der bisweilen brutale Konzernchef, schickte bei aller Zurückhaltung, die Ferrari momentan gegenüber den Medien übt, einen Gratulationsbrief. Natürlich einen, der es in sich hat: „Es war auch Zeit. Nach anderthalb Jahren wieder die italienische Nationalhymne zu hören, war etwas sehr Bewegendes. Trotzdem müssen wir uns vergegenwärtigen, dass wir damit noch nicht am Ziel sind, sondern nur den ersten Schritt auf einem langen Weg gemacht haben.“

Hamilton sah 17 Runden lang wie der sichere Sieger aus, dann kam die entscheidende Szene: Er steuerte fünf Umläufe vor Vettel die Box zum einzigen Reifenwechsel an. Das war schlecht terminiert, denn er steckte anschließend hinter Max Verstappen fest. Strategiefehler und Renngeschehen multiplizierten sich zur Niederlage. Nico Rosberg, Weltmeister im Ruhestand, twitterte erstaunt: „Wow, der verrückte Sebastian hat sich Lewis geholt. Das habe ich nicht kommen gesehen.“ Die Überraschungs-Formel.

Hamilton nahm die Niederlage sportlich: „Wenn sich die besten Fahrer duellieren, ist das gut. Mein Hunger auf Titel ist jetzt doppelt so groß. Und ich glaube, dass ich gewinnen kann.“